Drachenwacht: Roman (German Edition)
wäre nicht sonderlich freudig gewesen, und auch sonst keiner, der dich liebt, und einige davon könnten halb London niedertrampeln, wenn sie es denn wollten.«
»Natürlich würde ich mich dafür entscheiden«, sagte Temeraire und dachte bei sich, dass er noch einmal mit dem Gentleman vom Ministerium sprechen sollte oder vielleicht mit diesen Generälen, damit die Sache auch unmissverständlich klar wäre. »Bitte mach dir keine Sorgen«, fügte er hinzu, »ich bin mir sicher, dass sie nicht so töricht sind.«
»Menschen können wirklich sehr töricht sein«, sagte Laurence, »und ich muss … Ich bitte dich inständig, keinen Entschluss zu fassen, der dazu führt, dass ich meinem Tod nicht mehr mit Gleichmut entgegensehe. Du würdest einen Feigling aus mir machen, wenn ich befürchten muss, dass mein Tod dich gegen mein eigenes Land aufhetzen würde.«
»Aber ich will überhaupt nicht, dass du deinem Tod mit Gleichmut entgegenblickst«, sagte Temeraire, »jedenfalls nicht, wenn du damit meinst, dass sie dich lieber hängen sollen, anstatt dass du dich auflehnst. Auch wenn das nicht das ist, was du möchtest – ich möchte nicht, dass man dich tötet. Es war so entsetzlich, so entsetzlich, als ich dachte, dass es dich nicht mehr gibt. Ich habe mich selbst gar nicht mehr gespürt. Ich wollte sogar diesen armen Lloyd töten, ohne jeden wirklichen Grund, und ich will mich nie wieder so fühlen.«
Laurence antwortete: »Temeraire, du musst wissen, dass es unvermeidlich so kommen wird. Ich habe vielleicht noch vierzig, höchstens sechzig Jahre zu leben, du hingegen zweihundert, auf die du dich freuen solltest.«
Temeraire legte unglücklich die Halskrause an und wollte am liebsten das Thema wechseln. »Aber wenigstens wäre dann niemand schuld; niemand hätte dich mir weggenommen.« In seiner Vorstellung war das ein ganz grundsätzlicher Unterschied. Allerdings wollte er an so etwas weit Entferntes und Schwammiges keinen weiteren Gedanken verschwenden. Vielleicht würde ihm bis dahin etwas einfallen, um es zu verhindern; wenn Drachen zweihundert Jahre leben konnten, dann wusste er nicht, warum das bei Menschen anders sein sollte.
Erleichtert drehte er den Kopf, als Moncey neben ihm landete. »Temeraire, sie hungern drüben an der Burg von Nottingham; da gibt es nicht genügend Wild für alle.«
»Sie können herkommen und mit uns frühstücken«, sagte Temeraire und zeigte auf die Kuhle, in der Gong Su eine ausgesprochen
zähflüssige Haferschleimsuppe für sie vorbereitet hatte, der er mit Wildbret, Gemüse und eingelegten Zitronen Geschmack verliehen hatte. Die Grube war findigerweise mit einer dicken Schicht Segeltuch wasserdicht gemacht worden und wurde von Steinen warmgehalten, die Iskierka mit Feuer erhitzt hatte und die man dann hatte hineinsinken lassen. »Von nun an werden wir alles teilen«, sagte er, an die anderen gewandt. »Ihr müsst schon zugeben, dass das hier sehr lecker ist.«
»Nicht so gut wie ein frischer, warmer Hirschbock ganz für einen allein«, knurrte Requiescat.
»Nun«, entgegnete Temeraire, »wenn es dir lieber ist, dann kannst du dir einmal am Tag einen Hirsch oder eine Kuh nur für dich holen, anstatt dreimal am Tag Suppe oder Grütze zu essen, denn so weit kann Gong Su sie strecken, sagt er.«
Er war froh, dass er sich solch weltlichen Dingen zuwenden und so tun konnte, als hätten er und Laurence ihre Unterhaltung beendet und wären sich in allen Angelegenheiten völlig einig, auch wenn er sich ein wenig deshalb schämte. Er wusste, dass Laurence ihn nicht bei etwas unterbrechen würde, das Arbeit zu sein schien: Laurence hielt nicht viel von Offizieren, die miteinander plauderten oder sich anderweitig vergnügten, während die Pflicht auf sie wartete. Solange Temeraire sich mit etwas beschäftigte, hatte er also eine gute Entschuldigung und konnte sich sicher sein, dass er nicht noch einmal aufgefordert werden würde, ein solch schwieriges und freudloses Thema zu besprechen.
Er war entschlossen, nicht zuzulassen, dass man Laurence tötete, was auch immer geschehen mochte. Laurence würde sicherlich nicht froh sein, nachdem man ihn umgebracht hätte, und so war es für Temeraire kein wirklicher Trost, dass er zuvor ein wenig froher gewesen sein würde. Temeraire war sich inzwischen ganz sicher, dass die einzige Art und Weise, wie er Laurence auf jeden Fall schützen konnte, darin bestand, den Lordschaften unmissverständlich klarzumachen, dass ihnen etwas Entsetzliches
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