Drachenwacht: Roman (German Edition)
Ma’am«, antwortete Jane, »Ich hoffe, wir bereiten Ihnen keine Unannehmlichkeiten«, was ein vortrefflicher Beginn einer kurzen, oberflächlichen Unterhaltung wurde, die jederzeit zu einem raschen Ende gebracht werden konnte, ohne dass eine der beiden Seiten unhöflich erschien.
Temeraire jedoch begann inzwischen, sich zu langweilen, weil er darauf wartete, dass sein Abendessen zubereitet würde, und er mischte sich besorgt ein: »Vielleicht sollten Sie sich uns besser anschließen, anstatt hierzubleiben: Der Gedanke kam mir soeben. Napoleon könnte hier vorbeikommen, ehe wir die Gelegenheit hatten, ihn unschädlich zu machen.«
»Du kannst nicht einfach Zivilisten herumtragen, wie es dir gefällt«, zügelte ihn Jane. »Da würden wir unsere Sache ja gut machen, wenn wir alle in Sicherheit bringen, anstatt unsere Pflicht zu erfüllen und uns Napoleon vorzuknöpfen. Es wäre Pech, wenn er ausgerechnet hier entlangmarschiert, doch das muss nicht geschehen. Aber wir werden auf jeden Fall früher oder später auf ihn stoßen.«
»Ja, aber wenn wir ihn treffen, dann können wir mit ihm kämpfen«, sagte Temeraire, »und sicher sein, dass unsere Freunde in Sicherheit sind.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Besorgnis«, sagte Lady Allendale freundlich, »aber ich denke, wir werden nicht hier weggehen. Es wäre unverzeihlich, unsere Dienstboten und Pächter unter diesen Umständen mit allem alleinzulassen: Wir haben ebenfalls unsere Pflicht zu erfüllen.«
Allerdings hatte dies den Tonfall des Gesprächs verändert; nun wollte Lady Allendale von Jane wissen, ob denn ihre eigene Familie irgendwo in Sicherheit wäre. »Ich muss mich um niemanden sorgen, außer um meine Emily, und natürlich bin ich augenblicklich in der glücklichen Lage, sie in Sichtweite bei mir zu haben«, antwortete Jane und nickte zu Emily hinüber, die dabei half, das Lager aufzubauen. Selbstverständlich musste Emily daraufhin geholt und vorgestellt werden, und nachdem sie sich verbeugt hatte, sagte sie aus tiefstem Herzen: »Und vielen Dank, Mylady, für das Geschenk; ich bin Ihnen sehr verbunden.«
Laurence kannte seine Mutter gut genug, um zu erkennen, was die meisten Fremden nicht gesehen hätten, nämlich dass sie verblüfft war. Dann dämmerte es ihr. »Also mögen Sie den Granatschmuck, ja?«, fragte sie und beugte sich vor, um einen prüfenden Blick in Emilys Gesicht zu werfen, und auf ihrem eigenen malte sich frisch erwachtes Interesse, während Laurence das Herz schwer wurde.
Vergangenes Jahr hatte sein Vater in London gänzlich falsche Schlüsse gezogen, als er Emily zwischen den Offizieren in Temeraires Besatzung entdeckt und bemerkt hatte, dass Laurence sich ihr gegenüber offenbar verantwortlich fühlte. Diese Schlussfolgerungen hatte er Lady Allendale mitgeteilt, ohne jedoch zu verhindern, dass sie sich von diesem Augenblick an sehr um Emilys Wohlergehen sorgte.
»O ja«, berichtete Emily. »Ich habe ihn schon zweimal im Theater in Dover getragen.«
»Dann befinden Sie sich… befinden Sie sich im Dienst«, fragte Lady Allendale, die nur zu gerne die Rolle der Inquisitorin gegenüber diesem jungen Mädchen einnahm, zumal sie das Gefühl hatte, hier das Recht dazu zu haben und sich nicht wie bei Jane zurückhalten zu müssen. Emily nickte unbekümmert, war sich keiner unterschwelligen Strömungen bewusst und fügte stolz hinzu: »Ich bin vor Kurzem zum Fähnrich befördert worden, Mylady.«
»Genug geprahlt; Dorset sucht nach dir«, schnitt ihr Jane diskret
das Wort ab; Emily verbeugte sich ein weiteres Mal und schoss davon.
Lady Allendale sah ihr hinterher, als sie sich wieder an die Arbeit machte. Der Arzt war mit zwei anderen Drachen beschäftigt: Temeraire war nicht das einzige der unangeschirrten Tiere, das zu lange mit einem Musketengeschoss im Körper herumgeflogen war, und viele davon mussten auf ähnliche Weise behandelt werden.
Zum Glück stand Dorset gegen den Wind und arbeitete an der abgewandt liegenden Seite von Ballista, sodass die grausige Operation nicht für alle sichtbar vonstatten ging. Emily verschwand um den Drachen herum, und Lady Allendale drehte sich wieder zurück und wagte einen neuerlichen Vorstoß: »Sie ist noch sehr jung«, und der Tonfall, mit dem sie sich an Jane wandte, klang ängstlich und besorgt.
»Oh, sie saß schon im Geschirr, ehe sie laufen konnte«, erklärte Jane. »Wir gewöhnen die Mädchen früh daran, Ma’am, dann muss man ihnen später nicht mehr so viel abgewöhnen.
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