Drachenwacht: Roman (German Edition)
hochschaffen sollte oder zum Fließen bringen könnte, falls ihm Ersteres gelänge. So gab er sich damit zufrieden, sich einen Felsvorsprung des Llyn y Fan Fawr zu suchen, der hinaus in den See ragte, und diesen ebenfalls als sein Eigen zu betrachten.
Er beendete sein Werk damit, dass er die Schriftzeichen seines Namens in den Fels über seinem Eingang ritzte, in der Zeile darunter dann die Buchstaben seines englischen Namens. Allerdings bereitete ihm das »R« einige Schwierigkeiten und sah am Schluss eher wie die gespiegelte Zahl 4 aus. Dann war alles getan, und Gleichförmigkeit legte sich lähmend über seine Tage. Aufstehen, wenn die Sonne in den Eingang seiner Höhle fiel, ein bisschen herumfliegen, ein Schläfchen halten, wieder aufstehen, wenn die Hirten die Glocke läuteten, um etwas zu fressen, dann etwas dösen, wieder herumfliegen und schließlich erneut schlafen. Damit war der Tag zu Ende, und es gab nichts, was die Routine durchbrach. Einmal ging er selbst auf die Jagd, anstatt bei der täglichen Fütterung zu erscheinen. Noch am gleichen Tag brachte einer der kleineren Drachen den Leiter des Geheges, Mr. Lloyd, und einen Arzt zu ihm, die sich vergewissern wollten, dass er nicht krank war. Dann hielten sie ihm einen strengen Vortrag über Wilderei, sodass er sich Sorgen machte, sein Verhalten könnte womöglich Laurence Ungemach bereiten.
Trotz alledem hielt Lloyd ihn nicht für einen Verräter. Genau genommen dachte er gar nicht oft genug an ihn, um ihn überhaupt für irgendetwas zu halten. Der Leiter des Geheges scherte sich nicht um die ihm anvertrauten Tiere, solange sie sich innerhalb der Grenzen des Zuchtgebietes aufhielten, ordentlich fraßen und sich paarten. Er kannte weder Würde noch Seelenruhe, und alles, was Temeraire vom Gewohnten abweichen ließ, war ihm lästig. »Komm schon, heute haben wir eine neue Schwenkflügler-Dame zu Besuch«, pflegte Lloyd heiter zu sagen, »ein prächtiges Tierchen. Da machen wir uns einen netten Abend, was? Wollen wir vielleicht einen Happen Kalbfleisch vorher? Ja, wollen wir, da bin ich mir sicher.« Auf all seine Fragen hatte er bereits eine Antwort, sodass Temeraire einfach nur dasitzen und zuhören musste, vor allem, da Lloyd schwerhörig zu sein schien, wenn Temeraire den Versuch einer Erwiderung unternahm. Sagte er beispielsweise: »Nein, ich hätte lieber Wildbret, und Sie könnten es vorher braten«, dann konnte er sich sicher sein, ignoriert zu werden.
Es ging fast so weit, dass ihm die Lust darauf verging, für Eier zu sorgen, und Temeraire war sich ohnehin in zunehmendem Maße sicher, dass seine Mutter es keineswegs gutgeheißen hätte, wie häufig und wie wahllos man ihn zur Paarung bewegen wollte. Lien hätte jedenfalls mit Sicherheit in höchst beleidigender Weise geschnaubt. Es lag nicht an den weiblichen Drachen, die man ihm zu Besuch schickte. Sie waren alle sehr angenehm, aber die meisten von ihnen hatten noch nie zuvor ein Ei gehabt, und einige hatten noch nicht einmal in einer Schlacht gekämpft oder sonst irgendetwas Interessantes gemacht. Und sie waren alle sehr verlegen, weil sie kein angemessenes Geschenk für ihn hatten, welches ihn für sie hätte einnehmen können. Auch hätte er nicht so tun können, als wäre er kein beeindruckender Drache, selbst wenn er es gewollt hätte – was allerdings selten der Fall war. Lediglich bei Bellusa verspürte er eine solche Regung, denn sie war ein armes, junges Malachit-Schnitter-Weibchen, das sich nicht eine einzige Schlacht auf die Fahnen schreiben
konnte. Sie war ihm von der Admiralität in Edinburgh geschickt worden, und sie bot ihm mit kläglicher Miene eine kleine Häkeldecke an. Mehr wollte ihr überrumpelter Kapitän nicht erübrigen, auch wenn die Handarbeit von der Größe her gerade eben ausgereicht hätte, um Temeraires längste Kralle zu umwickeln.
»Die ist sehr hübsch«, bemerkte Temeraire wenig überzeugend, »und so geschickt gemacht. Ich bewundere die Farben sehr.« Dann versuchte er, sie sorgfältig über einen kleinen Stein neben dem Eingang zu drapieren, doch allein die Geste ließ das Drachenweibchen noch unglücklicher aussehen, und Bellusa platzte heraus: »Oh, ich bitte um Entschuldigung; er wollte mich einfach nicht verstehen und dachte, ich versuche zu sagen, dass ich mich nicht paaren will, und dann meinte er…« An dieser Stelle brach sie in noch größerer Verlegenheit ab, und Temeraire war sich sicher, dass alles, was auch immer ihr Kapitän gesagt hatte,
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