Drachenwege
einzusetzen.«
»Zuerst wird er sich fürchterlich aufregen«, sagte Nuella, »doch wenn er sich wieder beruhigt hat, könnte er zustimmen.« Sie sprach Renna an. »Du wirst mich doch nicht verpetzen, oder?«
Renna schnitt eine Grimasse. »Natürlich nicht. Ob-
wohl ich meine, du solltest aufhören, dich zu verstecken.« Sie blickte J'lantir fest in die Augen. »Ich bin dafür, dass man immer die Wahrheit sagt, egal, welche Konsequenzen daraus erwachsen.«
J'lantir schaute verblüfft drein, dann runzelte er nachdenklich die Stirn.
»Und ich bin dafür, dass junge Leute immer gute Manieren an den Tag legen sollten«, wies Meister Zist sie zurecht. »Besonders in der Gesellschaft von Drachenreitern.«
Renna senkte den Blick und nickte beschämt. »Entschuldigung. Es war nicht so gemeint.«
J'lantir winkte ab. »Macht nichts. Ich hab's nicht böse aufgefasst«, sagte er. Renna atmete erleichtert auf, und J'lantir lächelte sie höflich an. »Du magst ja Recht haben.« Sie tauschten einen langen Blick, und dann fügte der Drachenreiter hinzu: »Auf jeden Fall lohnt es sich, über deine Worte nachzudenken. Sie geben der Phantasie Nahrung.«
Meister Zist griff diesen Wink auf. »Apropos Nahrung. Ein kleiner Imbiss wäre jetzt nicht schlecht. J'lantir, vielleicht sollten wir zwei jetzt in Natalons Festung gehen und eine Stärkung zu uns nehmen.«
J'lantir nickte. »Gern. Bei der Gelegenheit kann ich gleich den Steiger begrüßen.«
Meister Zist lachte. »Und ein paar wichtige Dinge aufs Tapet bringen.« Ächzend rappelte er sich aus dem Stroh hoch, in dem er mit überkreuzten Beinen gesessen hatte. »Kindan, sorge bitte dafür, dass hier ein paar Stühle aufgestellt werden. Immer auf dem Fußboden zu hocken ist nichts für ältere Leute.«
»Außerdem ist es ziemlich kalt«, sagte Nuella. Sie hob ihr Gesicht und wandte sich an den Harfner.
»Möchtest du, dass ich mit euch komme?«
»Das wird nicht nötig sein«, lehnte Zist höflich ab.
Man sah ihr an, dass sie ihm gern zugestimmt hätte, doch nach kurzem Überlegen schüttelte sie den Kopf.
»Doch, es ist nötig«, widersprach sie. »Renna hat Recht.
Mit der Heimlichtuerei sollte endlich Schluss sein. Ich begleite euch.«
»Wie du willst«, entgegnete J'lantir und stand gleichfalls auf. »Bring uns zu deinem Vater.«
Meister Zist richtete das Wort an Renna. »Solltest du um diese Zeit nicht beim Ausguck sein?«
»Ich habe mit Jori getauscht«, sagte sie. »Sie schul-dete mir einen Gefallen.«
Der Harfner drohte ihr mit dem Finger. »Wenn du keine anderen Pflichten hast, dann solltest du jetzt zu Bett gehen und ausschlafen. Es ist sehr spät geworden.
Morgen früh erwarte ich von dir, dass du munter und ausgeruht zum Schulunterricht erscheinst.«
»Vielleicht sollte ich einen Becher Klah mitbringen, der dich aufmuntert, Meister Zist«, gab sie keck zurück.
Der Harfner holte tief Luft und wollte zu einer Straf-predigt über den Mangel an guten Manieren loslegen, doch dann blies er den Atem wieder aus und nickte.
»Ich fürchte, Renna, morgen früh werde ich das Klah dringend brauchen.«
* * *
»Bist du bereit, Nuella?«, rief J'lantir dem Mädchen über die Schulter zu, als sie sich anschickten, ins Dazwischen zu gehen.
»Ein bisschen nervös bin ich schon«, räumte sie ein und klammerte sich mit festem Griff an den Drachenreiter.
Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist nichts dabei, beruhigte sie Lolanth.
»Denk bitte daran, es dauert nicht länger als dreimal zu husten«, fügte J'lantir hinzu.
»Alles klar«, erwiderte Nuella. Einen Moment lang tat sich gar nichts. Plötzlich spürte sie eine eisige Kälte, und sie fühlte sich losgelöst von allem Stofflichen, sogar ihrem eigenen Körper. Das ist ja höchst seltsam, schoss es ihr durch den Kopf. Sie kostete diesen Augenblick aus, und dann war er auch schon vorbei.
Nuella schöpfte einmal tief Atem, dann prüfte sie schnuppernd die Luft. Hier roch es ganz anders als bei ihr zu Hause.
»Wir sind da«, verkündete J'lantir. »Du hast dich tapfer gehalten.«
»Ich fand's herrlich«, rief Nuella.
J'lantir lachte. »Die meisten Leute reagieren nicht mit Begeisterung, wenn sie das erste Mal ins Dazwischen eintauchen.«
Nuella festigte ihren Griff um den Drachenreiter, als Lolanth sich neigte und im Sinkflug nach unten kreiste.
Das Gefühl, zu fallen, erschreckte sie, doch sie hatte sich bereits wieder gefasst, ehe Lolanth ankündigte: Wir setzen zur Landung an. Es ist alles in
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