Drachenwege
Ordnung.
»Nuella, da bist du ja«, rief M'tal und eilte auf sie zu.
»Willkommen auf Burg Lemos.«
M'tal griff nach Nuellas Hand und half dem Mädchen beim Absitzen. Das Heruntersteigen von einem Drachen war einfacher, als sich hinauf zu schwingen, vor allem, wenn sie sich dabei auf M'tals starke Arme stützen konnte.
Sie fühlte J'lantirs Hand auf ihrer Schulter, als er von seinem Drachen sprang und neben ihr landete.
»Ich gehe voran«, erklärte M'tal und legte Nuellas Hand auf seinen Ellbogen; Meister Zist hatte ihr einmal erzählt, dass alle großen Lords eine Dame von Stand auf diese Weise begleiteten. Nuella errötete bei der Vorstellung, als Dame behandelt zu werden, und ließ sich dankbar von M'tal in die Festung führen.
»Der Harfner Inrion hat den hiesigen Burgherrn davon überzeugt, den jungen Lord Darel und seine Schwester, Lady Erla, zuschauen zu lassen, wie Lemosk trainiert wird«, erklärte M'tal, als sie die Treppe hinaufstiegen, die zur Großen Halle führte.
»Eigentlich sind es der alte Renilan und sein Wachwher Resk, die von dir unterwiesen werden müssen«, fügte J'lantir hinzu. »Vielleicht solltest du ein klärendes Gespräch mit dem Burgherrn führen, Nuella.«
Das Mädchen nickte. Zu ihrer Überraschung hatte ihr Vater keine Einwände erhoben, als J'lantir und Meister Zist ihn mit ihrem Plan bezüglich der Ausbildung von Wachwheren konfrontierten, doch Natalon bestand darauf, dass Nuella unverzüglich nach Hause zurückkehren musste, sollte sich dieses Unternehmen als un-wirksam erweisen. Versagte sie bei dem ersten Tier, durfte es keine weiteren Versuche mit anderen Wachwheren geben.
Nuella verstand die Gründe, die ihren Vater zu dieser Forderung bewogen, und sie billigte sie von ganzem Herzen. Es käme einer Demütigung gleich, wenn es ihr nicht gelang, ihr Trainingsprogramm in die Tat umzusetzen. Und falls es mit dem ersten Wachwher, den man ihr zur Schulung gab, nicht klappte, hätte sie sich ohnehin geweigert, einen Fehlschlag nach dem anderen einzustecken.
»Als Erstes möchte ich mich mit der Person in Verbindung setzen, die sich am hartnäckigsten gegen unseren Plan sträubt«, hatte sie erklärt. Als J'lantir Bedenken anmeldete, stellte sie sich stur, bis Meister Zist dem Drachenreiter seufzend darlegte, es hätte wenig Sinn, Nuella etwas ausreden zu wollen, sofern sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hätte. Einen widerspen-stigeren Menschen als sie gäbe es nicht. Nuella war sich dessen nicht so sicher, aber sie nahm sich vor, es möglichst bald herauszufinden.
Nachdem ihr Vater seine Zustimmung gegeben hatte, vergingen ein paar Tage, bis M'tal die Nachricht ab-schickte, er habe einen Unterricht in Burg Lemos organisieren können. In der Zwischenzeit arbeitete Nuella mit Kisk und übte alles, was ihrer Ansicht nach ein Wachwher und sein Wher-Führer beherrschen sollten.
Nuella staunte, wie hilfsbereit und geduldig Kindan sich gab, obwohl er die meiste Zeit lediglich als Zuschauer fungierte und ihr die Arbeit mit Kisk überließ.
»Sie ist doch noch ein Kind!«, knurrte eine brummige alte Männerstimme, als M'tal Nuella in einen großen Raum führte, in dem jedes Geräusch widerhallte. Ein Mädchen - jünger als Renna, schätzte Nuella - kicherte hektisch. Nuella nahm sich vor, sich bei nächster Gelegenheit nach dem Alter der Personen zu erkundigen, mit denen sie es in Zukunft zu tun haben würde - falls es für sie an diesem Ort eine Zukunft gab.
Nuella blieb stehen und atmete tief durch. Sie roch, dass im Kamin ein Feuer brannte und drehte ihr Gesicht der Wärme zu. Aus der Richtung, in der das junge Mädchen sich aufhalten musste, wehte ein angenehmer Duft herüber, kein Parfüm, sondern das frische Aroma von Seife. Zu Nuellas Rechten, ein Stück vom Feuer weg, roch es harzig, wie nach frisch geschlagenem Holz.
Dorthin wandte sich Nuella. »Du musst Renilan sein«, sagte sie. Sie ließ M'tals Arm los und hob grüßend die Hand.
Sie hörte, wie der alte Mann scharf die Luft einsog und schätzte, dass er ungefähr einen Meter von ihr entfernt stand. Renilan näherte sich ihr, und dann ergriff seine derbe, knorrige Hand die ihre.
»Meine Frau verlor drei Planetenumläufe vor ihrem Tod das Augenlicht«, erzählte er mit leiser Stimme und seufzte. »Sie hatte wunderschöne Augen, so wie du, Mädchen.«
Nuella lächelte. »Danke.«
»Du hast auch ein angenehmes Lächeln«, fügte er hinzu.
»Und ich bin sehr eigensinnig«, bekannte sie.
»Das glaube ich
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