Drachenzauber
blies ein paar Töne auf einem Jagdhorn - Atwaters eigener Ruf.
Die Anspannung in meinen Schultern ließ nach.
Einen Augenblick später kam die unverwechselbare Gestalt des Bauern selbst um die Ecke. Als er uns sah, pfiff er zur Entwarnung, also steckte ich das Schwert ein.
Der Junge seufzte erleichtert und trieb die Stute zu einem Galopp an.
Wenn man ein in Ehren ergrauter alter Kriegsherr oder der jüngere Sohn eines freien Bauern ist, darf man galoppieren, so viel man will. Da ich ein junger Herr war, der versuchte, seinem Ruf gerecht zu werden, zügelte ich mein Pferd zum Schritt.
Auf dem alten Kampfross meines Vaters wurde Schritttempo mitunter zum Abenteuer. Blümchen hätte es besser wissen sollen, aber ich ließ ihn schnauben und damit allen, die zusahen, ankündigen, dass er gefährlich war und viel schneller sein würde als die kleine Stute, wenn ich ihn nur rennen ließe.
Atwater nickte mir zu, als wir nahe genug waren.
»Danke, Herr, dass Ihr gekommen seid. Aber wegen der Banditen brauchen wir uns keine Gedanken mehr zu machen. Die Leichen sind hinterm Haus, wenn Ihr sie Euch ansehen wollt.«
Atwater war ein Berg von einem Mann, beinahe so groß wie ich. Sein hellblondes Haar, das beinahe unmerklich zu Grau überging, trug er im alten Stil zu einem Zopf geflochten - das war in diesen Zeiten eher ungewöhnlich, aber nicht wert, darüber zu reden. Sein Bart hingegen war wahrhaft überwältigend.
Feuerrotes Haar bedeckte die untere Hälfte seines Gesichts und einen großen Teil seiner Brust. Nach Maßstäben der Königreiche mochte das ein wenig barbarisch wirken, aber meine Leute hier in Hurog fingen wieder an, Stolz auf ihr Shavig-Erbe zu demonstrieren.
Wie viele ältere Männer in Hurog hatte Atwater bei der Niederschlagung der Rebellion in Oranstein an der Seite meines Vaters gekämpft. Irgendwann während dieses Feldzugs hatte er eine Abneigung gegen den ehemaligen Hurogmeten entwickelt. Ich hatte ebenfalls Gründe gehabt, meinen Vater nicht zu mögen, aber selbst ich musste zugeben, dass es nicht viele Männer gab, die so gut kämpfen konnten wie er. Die meisten, die mit ihm in den Krieg gezogen waren, wollten kein Wort gegen ihn hören. Ich weiß nicht, was mein Vater Atwater angetan hatte, aber es hatte mich mehr als zwei Jahre gekostet, ihm deutlich zu machen, dass ich nicht wie er war.
Tosten, Oreg und ich folgten Atwater und seinem Sohn um das Gebäude herum in das Durcheinander von Kindern und Verwandten, die ihm halfen, sein Land zu bebauen und es zu schützen. Inmitten der Menschenmenge lagen drei Tote, die man wegen der Kinder zugedeckt hatte.
Ich stieg ab, reichte Oreg, dessen Wallach Blümchen tolerierte, die Zügel und schlug die Decken zurück, um die Gesichter der Toten zu betrachten. Ich achtete darauf, die Decken so zu halten, dass die Kinder weiterhin nichts sehen konnten. Einer der Männer kam mir bekannt vor, aber ich brauchte einen Moment, bevor ich mich erinnerte.
»Söldner aus Tyrfannig«, sagte ich und ließ die Decke wieder über das Gesicht des letzten Mannes fallen. Tyrfannig war die nächstgelegene Hafenstadt, einen halben Tagesritt weiter südlich. Hurog grenzte ebenfalls ans Meer, aber das Ufer war zu felsig, als dass größere Schiffe dort anlegen konnten. »Sie haben anscheinend keine Arbeit bei Kaufleuten gefunden, die nach Süden wollten, und sich entschlossen, sich selbstständig zu machen.« Manche Söldner kannten keinen Unterschied zwischen dem Plündern auf einem Schlachtfeld und anderswo. »Ich werde fragen, ob jemand in Tyrfannig Anspruch auf die Leichen erhebt. Ansonsten werden wir sie selbst begraben, wie?«
»Ja, Herr.«
Ich setzte dazu an, mich abzuwenden, dann fiel mir etwas ein, das ich an den Wunden der Leichen bemerkt hatte. »Wer hat sie getötet?« Atwater war bekannt für seine Bogenarbeit und konnte eine Axt ebenso gut bei Menschen wie bei Holz einsetzen, aber er hätte sich diesen Banditen niemals mit nichts weiter als einem Messer bewaffnet entgegengestellt.
Die beiden Leichen mit den offensichtlichsten Wunden waren jedoch durch eine kurze Klinge umgekommen, nicht durch eine Axt. Bei dem Dritten wusste ich es nicht so genau, und ich hatte nicht vor, ihn mir noch näher anzusehen, nicht bei all den Kindern, die um uns herumstanden.
»Mein Ältester, Fennel, sah sie rechtzeitig kommen, um uns zu warnen. Ich schickte Rowan zu Euch, und wir warteten. Nach einer Weile bin ich Fennels Spur gefolgt, um herauszufinden, wo er die
Weitere Kostenlose Bücher