Drachenzauber
das, was mit ihm geschah, als Krieger-träume. Plötzliche Visionen von weit zurückliegen-den Kämpfen, die so intensiv waren, dass sie sich über die Gegenwart hinwegsetzten. Sie waren er-schreckend genug bei einem Bewaffneten, aber noch schlimmer, wenn der Mann auch ein Zauberer war.
Ein Zauberer von Oregs Macht ließ einen solchen Traum echt genug wirken, dass er bluten konnte.
»Oreg«, sagte ich noch einmal. »Ich war es nicht.«
Ein Soldat konnte in seinem Leben viel Entsetzen und Scham ansammeln; wie viel schwerer zu ertragen waren dann erst Oregs Erinnerungen? Er hatte mir einmal gesagt, dass er versuchte, sich nicht zu erinnern.
Oreg starrte mich an und kämpfte schwer atmend gegen die Überreste der Vision.
»Es ist vorbei, Oreg«, sagte ich. »Der Drache starb schon vor langer Zeit.«
»Ward?«
»Ja.« Sein verängstigter Blick tat mir weh. Hatte er Angst vor seinen Erinnerungen oder vor mir? Ich wandte mich ab und ging weiter. »Wir müssen Holz suchen.«
Einen Augenblick später hörte ich seine Schritte hinter mir.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Du siehst ihm ähnlich.
Er war ebenfalls ein großer, kräftiger Mann. Und voller Magie - wie du seit Menogue.«
Ich zuckte die Achseln.
Wir sammelten eine Weile Holz. Es gab nicht viel, das nicht schon von der Feuchtigkeit verrottet war.
Der Wald sah aus, als wäre er bereits leer gesammelt.
Wir befanden uns noch zu nahe an Silbermoor.
»Nachdem ich diesen Jungen an der Grenze nach Oranstein getötet hatte, tat ich so, als wäre ich mein Vater«, sagte ich abrupt. »Er kannte sich sehr gut damit aus, andere umzubringen.« Ich musste mit jemandem reden. Bastilla war eine bessere Zuhörerin, aber Oreg hatte meinen Vater gekannt.
»Nicht wie dein Vater«, sagte er, als müsse er sich selbst davon überzeugen. »Du warst nie wie er.«
Ich dachte daran, wie rasch ich das Messer in den Hals des Jungen gestoßen hatte und dass ich nicht imstande gewesen war, meinen Bruder zu trösten, als 298
er den Verlust seiner Unschuld beweint hatte, und ich wusste, dass Oreg sich irrte.
»Weißt du, wieso ich beim Tod meines Vaters meine Rolle als Idiot nicht aufgeben wollte?«, fragte ich.
»Nein.« Das war zu schnell herausgekommen. Er vergrößerte den Abstand zwischen uns beiläufig, ich nahm an, in Reaktion auf meine Körpersprache, und ich versuchte, mich zu entspannen.
»Damals dachte ich, es ginge darum, mir die Peinlichkeit zu ersparen, aber das war nicht alles. Ich hatte so lange einen Idioten gespielt, dass es keine andere Rolle gab. Als ich Hurog verließ, versuchte ich, dieser Söldner zu sein, aber das passte nicht. Also war ich Seleg.«
Er schwieg lange Zeit. Ich drehte mich nicht nach ihm um, ging einfach nur weiter, weg vom Lager.
Wir hatten zu viel geredet, als dass es möglich gewesen wäre, Wild zu finden, aber vielleicht hatten Tosten oder Axiel Glück gehabt.
»Du spielst Seleg sehr gut für einen Mann, der ihn nicht kannte.« Er klang zögernd. »Er war nicht nur böse - nicht, bevor er alt und von seiner Angst überwältigt wurde.« Oreg kam näher. »Er war auch nicht so klug wie du, und nicht so freundlich. Sei einfach nur du selbst, Ward.« Nun stapften wir Seite an Seite durch den Schlamm.
Es gibt mich nicht, Oreg, dachte ich. Nur Stücke von meinem Vater, einem dummen Söldner, der alle bis auf meine Tante einwickeln konnte, und einen Ahnen, der zu viele Tagebücher zurückgelassen hatte.
Oreg grinste plötzlich und schüttelte die finstere Stimmung ab. »Ich weiß genau, wer du bist. Du redest langsam und kämpfst hart. Die bist klug und freundlich zu kleinen Kindern, geschlagenen Pferden und Sklaven. Du bist der Hurogmeten. Das ist mehr, als die meisten Leute über sich selbst wissen.«
Ich lächelte ihn an, ein dankbares Lächeln, wie es Seleg sicher gehabt hatte. Der Idiot redete langsam, mein Vater kämpfte hart. Seleg war klug, arrogant und freundlich - und Hurog gehörte mir nicht. Offenbar spielte ich meine Rollen so gut, dass ich sogar Oreg täuschen konnte. Ich würde nur aufpassen müssen, damit ich nicht auch noch mich selbst täuschte.
Ich hatte vorgehabt, die Wache mit Oreg zu teilen, aber nach unserem Gespräch im Wald überlegte ich es mir anders. Ich hatte zu viel gesagt und war wund davon. Also teilte ich ihn für die erste Wache mit Penrod ein, was mir Penrods übliche Partnerin Bastilla zur zweiten Wache ließ.
Eine kleine Erhebung nicht weit vom Lager gestattete einen Blick auf den Weg nach Osten
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