Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
jungen Solomonarii, trank all sein Blut und
wurde selbst zum Vampir. Als Untoter gebärdete er sich nun noch blutrünstiger als zu Lebzeiten. Schließlich beschloss er,
nach Hause zurückzukehren.«
»Dein eigener Bruder hat also dich und deine Schwestern verwandelt?«, fragte ich entsetzt.
»Ja. Sie waren wunderbare junge Frauen, ehe sie Vlad in die Hände fielen. Zwei hatten kleine Kinder. Eines Nachts kam ich
in ein Zimmer und sah meinen Bruder, wie er seine Zähne in die Kehle meiner Schwester Luzia geschlagen hatte. Sie war blass
und leblos, seine Augen funkelten rot, und beiden troff das Blut aus dem Mund. Ich stürzte mich auf Vlad und versuchte, meine
Schwester zu retten, doch es war schon zu spät. Er ließ sie fallen und hieb dann mit einem lauten Aufschrei seine Zähne in
meinen Hals. Er war stark wie zwanzig Männer. Ich hatte keine Chance. Ich spürte, wie mir das Lebensblut aus den Adern gesaugt
wurde. Als ich am Abgrund des Todes stand, trieb Vlad seine üblen Spiele mit mir. Er fragte mich, ob ich zu ihm ins Reich
der Untoten kommen wolle. Ich könnte unsterblich werden, behauptete er. Entweder das, oder ich würde mein Leben lassen müssen.
Ich hatte keine Vorstellung davon, vor welche Wahl er mich stellte. Ich wusste nur, dass ich weder diese Erde, noch meine
Frau und mein Kind verlassen wollte. Mit letzter Kraft antwortete ich: Ja, bitte, rette mich. Lass mich nicht sterben.«
|399| »Oh!«, rief ich verzweifelt aus.
Nicolaes Augen blitzten, flackerten einmal blau, dann wieder rot. Seine ganze Gestalt schien vor kaum gezügeltem Hass zu beben,
während er fortfuhr: »Mein Bruder schnitt sich selbst die Pulsadern auf und zwang mich, sein Blut zu trinken. Dann vollendete
er, was er begonnen hatte. Er saugte mir den letzten Tropfen Blut aus dem Leib, bis mir der Atem ausging. Zwei Tage später
wachte ich im Mausoleum unserer Familie auf … und neben mir ruhten die Leichname meiner Schwestern. Ich erhob mich verwirrt.
Was war mit mir geschehen? Ich fühlte mich verändert. Eine merkwürdige Wut stieg in mir hoch.
Ich verließ das Grabmal und kehrte zur Burg zurück, um meine Frau zu suchen. Ich begegnete einem Bediensteten, der entsetzt
zurückfuhr. Ich konnte sein Blut riechen. Mich dürstete nach seinem Blut. Ich schaute in den Spiegel und bemerkte, dass ich
kein Spiegelbild hatte! Ich war wie von Sinnen vor Furcht und Schrecken. Ich war dabei, mich in etwas Grausiges und Böses
zu verwandeln, doch dieses neue Selbst konnte ich nicht sehen. Dann suchte ich meine Frau Sabina auf. Auch sie schrie vor
Entsetzen, als sie mich erblickte, hielt unseren laut weinenden Sohn fest an die Brust gedrückt.«
Plötzlich verwandelte sich zu meinem Grauen Nicolae vor meinen Augen in das bleiche, rotäugige Ungetüm, das ich einige Nächte
zuvor in meinem Zimmer gesehen hatte. In dumpfem Ton fuhr er fort: »Sie nannte mich ein Gespenst, einen Dämonen, ein Ungeheuer!«
Ich schrie, sprang auf und wich vor ihm zurück. Nicolae schaute mich an, als sei er überrascht, mich an diesem Ort zu erblicken.
Dann folgte eine schreckliche Stille. Ich erinnerte mich daran, was er gesagt hatte: Dass zu Zeiten großer Wut seine bösartige
Seite zum Vorschein kam. Mit offenbar übermenschlicher Anstrengung bezwang er diesen Zorn und verwandelte sich wieder in sich
selbst zurück, nahm erneut die |400| Gestalt an, die ich kannte und liebte. Nur seine blauen Augen wirkten immer noch kalt und hart.
Er kommentierte diesen plötzlichen Wechsel seiner Gestalt mit keinem Wort, sondern fuhr mit tödlich ruhiger Stimme fort: »Also
habe ich sie alle beide umgebracht.«
Ich starrte ihn ungläubig an. »Du … hast deine Frau und dein Kind getötet?«
Er nickte. »Ich war von Sinnen. Ich habe nicht nur sie getötet, sondern auch jedes andere Lebewesen in der Burg dahingemetzelt,
angefangen von den Kindern und Bediensteten bis hin zum Vieh, ehe nichts mehr da war als ein Strom von Blut in jedem Durchgang,
auf jeder Treppe … und ich und meine Schwestern, von denen ich schon bald entdecken musste, dass sie auch verwandelt worden
waren, genau wie ich.«
Ich war sprachlos. Dracula schritt erregt vor mir auf und ab.
»Als ich wieder zu mir kam und sah, was ich angerichtet hatte, überkamen mich Reue und Entsetzen. So fand mich Vlad, und er
lachte. Er
lachte
! Dann hieß er mich in seiner Schar willkommen und sagte: ›Du hast dich selbst übertroffen, Bruder. Endlich verstehst
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