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Dracula, my love

Dracula, my love

Titel: Dracula, my love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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fragte ich mich, ob ihn am Ende meine lebhafte Vorstellungskraft heraufbeschworen hatte.
    Als sich unsere Blicke trafen, schaute er mich an, wie mich noch nie jemand angesehen hatte - nicht einmal Jonathan. In seinem Blick lag ein Ausdruck so unmittelbaren, tiefsten und unverhohlenen Interesses, dass mein Herz aufgeregt schneller schlug.
    „Vielen Dank, Sir“, sagte ich, als meine Stimme mir endlich wieder gehorchte. „Ich bin Ihnen sehr verbunden.“
    „Es freut mich, dass ich Ihnen zu Diensten sein konnte.“ Sein kaum merklicher Akzent hatte wahrscheinlich seinen Ursprung auf dem europäischen Festland, überlegte ich, aber sein Englisch war vollkommen. Er verneigte sich, lüpfte kurz den schwarzen Zylinder, starrte mich aber nach wie vor unverwandt mit seinen faszinierenden Augen an.
    Ich wusste, dass ich mich auf kein weiteres Gespräch mit ihm einlassen sollte. Er war ein Fremder und ich eine unverheiratete Frau, die mit einem anderen verlobt und hier ohne Anstandsdame unterwegs war. Mir stand nur eine geziemende Handlungsweise offen, das war mir wohl bewusst: Ich musste stumm knicksen und mich sogleich entfernen. Und doch ... Ich brachte es nicht über mich. Stattdessen betrachtete ich den Strohhut, den ich in Händen hielt, ein schlichtes, nur mit einem weißen Band und einem Sträußchen verziertes Ding, und sagte: „Das war sehr mutig von Ihnen, Sir, dass Sie ... dass Sie so nah an den Rand der Klippe geeilt sind, nur um eines Hutes willen. Das war ziemlich gefährlich.“
    Nun hatte wohl auch er sich wieder gefasst und schenkte mir ein warmes Lächeln. „Mir schien, dass Ihnen viel daran lag, diesen Gegenstand zu retten. Die Gefahr habe ich gar nicht bedacht.“
    Ihn umgab, überlegte ich, während ich einen weiteren verstohlenen Blick auf ihn warf, eine unerklärliche Aura der Gefahr. Sie ließ ihn exotisch und geheimnisvoll zugleich erscheinen, hatte jedoch, wie ich mir sagte, nicht so sehr mit einem seiner Charakterzüge zu tun, sondern eher damit, dass er so außerordentlich attraktiv war und ich kaum die Augen von ihm wenden mochte.
    „Der Hut ist ja, wie Sie sehen können, keineswegs kostbar“, erwiderte ich, „aber ich habe ihn schon so lange, dass er mir lieb und teuer geworden ist. Und er ist umso wertvoller, als es ... als es der einzige ist, den ich mitgebracht habe.“ Großer Gott, überlegte ich, warum plappere ich wie eine Närrin von meinem Hut?
    „Ah“, meinte er, als wir uns wieder dahin auf den Weg machten, wo ich hergekommen war, „dann darf ich daraus schließen, dass Sie nicht immer in Whitby leben?“
    „Nein. Ich bin erst vierzehn Tage hier. Ich mache hier Ferien mit einer Freundin und ihrer Mutter.“
    „Ich weile auch zu Besuch. Ich bin erst gestern in Whitby angekommen.“
    „Woher stammen Sie, Sir?“
    Er blickte mich an und antwortete: „Aus Österreich.“
    „Ich habe schon Bilder von Österreich gesehen, und allen Berichten zufolge ist es ein wunderschönes Land.“
    „Das ist es wahrhaftig, aber dies ist auch ein reizendes Fleckchen Erde, nicht wahr? Von den Klippen aus hat man einen herrlichen Ausblick. Das Meer ist so wunderbar, so ruhelos und so unendlich. Ich werde seines Anblicks nie müde. Derlei Panoramen haben wir in meiner Heimat nicht.“
    „Ich liebe das Meer schon immer und zu allen Jahreszeiten. Allerdings müssen Sie, wenn Sie erst gestern in Whitby eingetroffen sind, das Unwetter der letzten Nacht als eine recht wilde Begrüßung empfunden haben.“
    „Der Sturm, ja, der war furchterregend.“ Als wir an einem der Künstler vorüberspazierten, die an der Klippe standen und das unten auf dem Strand zerschellte Schiff malten, blieb der Herr kurz stehen, um dessen Arbeit zu bewundern. „Sie haben eine sehr interessante Perspektive gewählt“, sagte er zu dem Maler, „und Ihre Farbwahl ist außerordentlich angenehm anzusehen.“
    Der Künstler bedankte sich mit einem Lächeln und einem Kopfnicken für dieses Kompliment. Just in diesem Augenblick bemerkte ich meine verloren geglaubte Hutnadel, die neben der Bank, auf der ich gesessen hatte, im Kies lag. Ich hob sie rasch auf und hielt inne, um meinen Hut wieder festzustecken.
    „Gehören diese ebenfalls Ihnen?“, erkundigte sich der Herr und bezog sich damit auf mein Buch und mein Tagebuch, die wenige Schritte entfernt auf dem Spazierweg lagen.
    „Ja, das sind auch meine.“
    Er sammelte sie ein. Als er mein Tagebuch vom Staub des Weges befreite, fiel sein Blick auf die aufgeschlagene

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