Dracula, my love
Blut aus dem Mund. Ich stürzte mich auf Vlad und versuchte, meine Schwester zu retten, doch es war schon zu spät. Er ließ sie fallen und hieb dann mit einem lauten Aufschrei seine Zähne in meinen Hals. Er war stark wie zwanzig Männer. Ich hatte keine Chance. Ich spürte, wie mir das Lebensblut aus den Adern gesaugt wurde. Als ich am Abgrund des Todes stand, trieb Vlad seine üblen Spiele mit mir. Er fragte mich, ob ich zu ihm ins Reich der Untoten kommen wolle. Ich könnte unsterblich werden, behauptete er. Entweder das, oder ich würde mein Leben lassen müssen. Ich hatte keine Vorstellung davon, vor welche Wahl er mich stellte. Ich wusste nur, dass ich weder diese Erde, noch meine Frau und mein Kind verlassen wollte. Mit letzter Kraft antwortete ich: Ja, bitte, rette mich. Lass mich nicht sterben.“
„Oh!“, rief ich verzweifelt aus.
Nicolaes Augen blitzten, flackerten einmal blau, dann wieder rot. Seine ganze Gestalt schien vor kaum gezügeltem Hass zu beben, während er fortfuhr: „Mein Bruder schnitt sich selbst die Pulsadern auf und zwang mich, sein Blut zu trinken. Dann vollendete er, was er begonnen hatte. Er saugte mir den letzten Tropfen Blut aus dem Leib, bis mir der Atem ausging. Zwei Tage später wachte ich im Mausoleum unserer Familie auf ... und neben mir ruhten die Leichname meiner Schwestern. Ich erhob mich verwirrt. Was war mit mir geschehen? Ich fühlte mich verändert. Eine merkwürdige Wut stieg in mir hoch.
Ich verließ das Grabmal und kehrte zur Burg zurück, um meine Frau zu suchen. Ich begegnete einem Bediensteten, der entsetzt zurückfuhr. Ich konnte sein Blut riechen. Mich dürstete nach seinem Blut. Ich schaute in den Spiegel und bemerkte, dass ich kein Spiegelbild hatte! Ich war wie von Sinnen vor Furcht und Schrecken. Ich war dabei, mich in etwas Grausiges und Böses zu verwandeln, doch dieses neue Selbst konnte ich nicht sehen. Dann suchte ich meine Frau Sabina auf. Auch sie schrie vor Entsetzen, als sie mich erblickte, hielt unseren laut weinenden Sohn fest an die Brust gedrückt.“
Plötzlich verwandelte sich zu meinem Grauen Nicolae vor meinen Augen in das bleiche, rotäugige Ungetüm, das ich einige Nächte zuvor in meinem Zimmer gesehen hatte. In dumpfem Ton fuhr er fort: „Sie nannte mich ein Gespenst, einen Dämonen, ein Ungeheuer!“
Ich schrie, sprang auf und wich vor ihm zurück. Nicolae schaute mich an, als sei er überrascht, mich an diesem Ort zu erblicken. Dann folgte eine schreckliche Stille. Ich erinnerte mich daran, was er gesagt hatte: Dass zu Zeiten großer Wut seine bösartige Seite zum Vorschein kam. Mit offenbar übermenschlicher Anstrengung bezwang er diesen Zorn und verwandelte sich wieder in sich selbst zurück, nahm erneut die Gestalt an, die ich kannte und liebte. Nur seine blauen Augen wirkten immer noch kalt und hart.
Er kommentierte diesen plötzlichen Wechsel seiner Gestalt mit keinem Wort, sondern fuhr mit tödlich ruhiger Stimme fort: „Also habe ich sie alle beide umgebracht.“
Ich starrte ihn ungläubig an. „Du ... hast deine Frau und dein Kind getötet?“
Er nickte. „Ich war von Sinnen. Ich habe nicht nur sie getötet, sondern auch jedes andere Lebewesen in der Burg dahin- gemetzelt, angefangen von den Kindern und Bediensteten bis hin zum Vieh, ehe nichts mehr da war als ein Strom von Blut in jedem Durchgang, auf jeder Treppe ... und ich und meine Schwestern, von denen ich schon bald entdecken musste, dass sie auch verwandelt worden waren, genau wie ich.“
Ich war sprachlos. Dracula schritt erregt vor mir auf und ab.
„Als ich wieder zu mir kam und sah, was ich angerichtet hatte, überkamen mich Reue und Entsetzen. So fand mich Vlad, und er lachte. Er lachte ! Dann hieß er mich in seiner Schar willkommen und sagte: ›Du hast dich selbst übertroffen, Bruder. Endlich verstehst auch du den Kitzel, den es bereiten kann, wenn man ein Leben nimmt, die Leidenschaft, die mich schon so lange antreibt.‹ Ich blickte ihn an. Ich hielt das Schwert noch in der Hand. Ich glaube, dass er erst in jenem Augenblick begriffen hat, welch schrecklicher Fehler ihm unterlaufen war. Denn nun war ich ihm an Stärke ebenbürtig. Vlad war ein hervorragender Schwertkämpfer, doch ich war ein gerade erst verwandelter Vampir voller Wut und Ungestüm. Und so ... habe ich mich auf ihn gestürzt und ihn in die Abgründe der Hölle geschickt, wohin er gehörte. Später habe ich herausgefunden, dass die Straßen des Dorfes mit Toten, den Opfer seines
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