Dracula, my love
müssen weiterhin wachsam Ausschau halten“, sagte der Professor. „Das Schiff kann jeden Augenblick gemeldet werden.“
An jenem Morgen traf ein Telegramm ein. Wir versammelten uns alle im Salon des Hotels, um es zu lesen.
28.OKTOBER 1890 - LLOYD'S LONDON - AN LORD GODALMING, ZU HÄNDEN DES K. VIZEKONSULS, VARNA. ZARIN KATHARINA HEUTE UM EIN UHR VOR GALATZ GEMELDET.
„Galatz? Nein! Das kann nicht sein!“, rief Dr. van Helsing schockiert und rang die Hände, als kämpfte er mit dem Allmächtigen selbst.
„Wo liegt Galatz?“, fragte Lord Godalming, der kreidebleich geworden war.
„Im Fürstentum Moldau“, antwortete Dr. Seward und schüttelte in benommener Wut den Kopf. „Es ist der Haupthafen der Gegend und liegt etwa 150 Meilen nördlich von hier.“
„Ich wusste, dass etwas Seltsames geschehen würde, als die Ankunft des Schiffes sich so verzögert hat“, meinte Herr Morris grimmig.
Jonathans Hand suchte wie von selbst nach dem Griff seines großen Gurkha-Messers, und seine Lippen verzogen sich zu einem finsteren, bitteren Lächeln. „Der Graf treibt mit uns ein Spiel. Er hat Minas Gedanken ausgenutzt. Er weiß, dass wir ihn erwarten, also hat er den Nebel heraufbeschworen, damit er uns aus dem Weg gehen und uns überholen konnte.“
„Wann geht der nächste Zug nach Galatz?“, fragte der Professor nachdenklich.
„Morgen früh 6.30 Uhr“, antwortete ich, ohne zu überlegen.
Alle starrten mich an. „Woher um alles in der Welt wissen Sie das denn?“, fragte Lord Godalming.
Ich errötete. Ich hatte es nachgesehen. Denn ich wusste ja, dass Dracula sich überhaupt nicht auf diesem Schiff befand. Und er hatte mir auch gesagt, dass wir über Varna hinaus Weiterreisen müssten. „Ich ... ich bin schon immer sehr an Zügen interessiert gewesen“, erwiderte ich rasch. Diese Aussage hatte zum Glück einen wahren Kern. Jonathan konnte das bestätigen. „Zu Hause in Exeter pflegte ich mich stets für die Fahrpläne zu interessieren, um meinem Mann behilflich sein zu können. Ich habe auch jetzt die ganze Woche hindurch Landkarten und Fahrpläne studiert. Ich wusste, dass wir wahrscheinlich über Galatz reisen müssen, wenn unser Plan nicht gelingt und wir nach Transsilvanien weiterfahren müssen. Es gibt nur einen Zug, und der fährt, wie ich schon sagte, morgen früh.“
„Eine prächtige Frau!“, murmelte der Professor.
„Was werden wir in Galatz vorfinden?“, fragte Dr. Seward. „Zweifellos ist der Graf bereits von Bord gegangen und längst irgendwohin unterwegs.“
„Dann folgen wir ihm“, sagte Jonathan mit neu gefundener Entschlusskraft.
Dr. van Helsing trieb die Männer zur Eile an, verteilte die Aufgaben, die zu erledigen waren. Es wurden Fahrkarten gekauft. Es wurden Briefe geschrieben. Von geeigneter Stelle wurden Genehmigungen erwirkt, in Galatz an Bord des Schiffes zu gehen. Und früh am nächsten Morgen bestiegen wir alle den Zug, der uns auf unserer Reise weitertragen sollte.
Während ich auf meinem Fensterplatz saß und auf die vorüberziehenden Weiden schaute, die sich bis hinauf zu den fernen Hügeln und dahinter zu den Bergen erstreckten, wuchsen meine Angst und Anspannung. Jede Bewegung des Zuges brachte mich doch näher zu Nicolae.
Und wenn wir nach Galatz kommen, was geschieht dann?, fragte ich ihn in meinen Gedanken. Seine Antwort kam sofort und klang sehr sicher:
Du musst sie dazu bringen, dass sie dem Weg der Kiste folgen. Ich werde ihnen immer einen Schritt voraus sein.
Warum ?
Ich muss den Zeitpunkt und den Ort bestimmen, an dem sie mich töten.
Dann erklärte er mir, was ich für ihn tun sollte.
Wir mieteten uns in Galatz im Hotel Metropole ein. Die anderen machten sich sofort zum Vizekonsul auf und gingen zum Dock und zum Schiffsagenten, um Erkundigungen einzuziehen. Am Abend kehrten alle zurück, und wir trafen uns im Salon des Professors. Sie berichteten alles, was sie herausgefunden hatten.
„Die Zarin Katharina liegt wahrhaftig hier im Hafen vor Anker“, erklärte Jonathan. „Die Kiste wurde von einem Agenten vom Schiff abgeholt, der einen Auftrag von einem gewissen Herrn de Ville aus London bekommen hatte, der ihn gut dafür entlohnt hat, dass er sie vor Sonnenuntergang vom Schiff brachte, um den Zoll zu umgehen.“
„De Ville!“, wiederholte Herr Morris kopfschüttelnd. „Schon wieder dieser Name! Der schlaue Teufel!“
Dr. Seward meinte: „Der Agent, der seinen Anweisungen folgte, übergab die Kiste einem Mann, der mit den Slowaken in
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