Dracula, my love
Beschützer hat.“
„Ich bin sicher, dass Sie immer noch oft zu Ihnen kommen und Sie um Rat und Hilfe bitten wird, Frau Westenra“, erwiderte ich mit einem warmen Lächeln. „Ich glaube, selbst der beste Ehemann der Welt könnte niemals eine Mutter ersetzen.“
Bei diesen Worten unterdrückte Frau Westenra einen Seufzer, und erneut rannen ihr Tränen über das Gesicht.
„Oh! Madam, was ist denn?“, rief ich bekümmert. „Habe ich etwas gesagt, das Sie so bestürzt hat?“
Sie brauchte eine Weile, um sich zu fassen. „Es ist nicht Ihre Schuld, meine Liebe“, sagte sie und tupfte sich mit einem Leinentaschentuch die Augen. „Es gibt etwas, das Sie nicht wissen. Etwas, das ich noch niemandem erzählt habe.“ Sie zögerte. „Wenn ich es Ihnen mitteile, müssen Sie mir versprechen, es Lucy nicht weiterzusagen. Ich möchte nicht, dass sie sich ängstigt.“
„Ich verspreche es“, antwortete ich und überlegte, wie seltsam es doch war, dass ich nun Geheimnisse von Mutter und Tochter zu hüten hatte. Und dazu hatte ich noch mein eigenes Geheimnis.
„Sie haben vielleicht bemerkt, dass ich in der letzten Zeit nicht wohlauf gewesen bin.“
„Mir ist aufgefallen, dass Sie sehr schnell ermüden.“
„Es ist das Herz. Es wird immer schwächer. Der Arzt hat mir gesagt, dass ich allerhöchstens noch einige wenige Monate zu leben habe.“
„Einige wenige Monate?“, rief ich aus.
Frau Westenra nickte traurig. „Jederzeit, auch jetzt, meinte er, würde ein plötzlicher Schrecken imstande sein, mich zu töten. Deswegen habe ich mich die meiste Zeit so still zurückgezogen, seit wir hier angekommen sind.“
„Oh! Frau Westenra, wie leid mir das tut!“ Ich war traurig für sie und für Lucy, die so bald schon ihrer Mutter beraubt werden sollte. „Kann ich irgendetwas für Sie tun? Kann ich Ihnen irgendwie helfen, dass es Ihnen besser geht?“
Sie lächelte freundlich und nahm meine Hand in die ihre. „Versprechen Sie mir nur, dass Sie, wenn ich nicht mehr bin, eine so gute Freundin für Lucy bleiben werden, wie Sie es in der Vergangenheit immer waren.“
„Das will ich gewiss sein.“ Ich küsste sie auf die Wange. „Sie können auf mich zählen.“
Während die Woche fortschritt, machte mir allerdings nicht Frau Westenras Gesundheit die größten Sorgen, sondern Lucys Wohlbefinden. Lucy verlor jeglichen Appetit und wurde immer blasser, müder und lustloser. Es lag ein verhärmter, ausgemergelter Zug um ihre Augen, dessen Ursache ich mir nicht erklären konnte. Ihre Mutter war ebenso verwirrt und beteuerte immer wieder, Lucy sei nicht blutarm, sie sei es niemals gewesen. Als ich Lucy nach ihren seltsamen Symptomen und ihrer schwindenden Gesundheit fragte, behauptete sie, genauso verwundert zu sein wie ich.
Die Tage waren hell und sonnig. Ich konnte Herrn Wagner bei meinen Spaziergängen nirgends erblicken. Trotzdem widerstand ich der Versuchung, mich noch einmal nachts zum Pavillon zu schleichen. Stattdessen blieb ich zu Hause und wachte über Lucy. Ich sorgte dafür, dass unser Zimmer stets sicher verschlossen war, sodass sie nicht herumwandern konnte. Und doch fand ich sie zweimal ohnmächtig am offenen Fenster sitzend, als ich nachts aufwachte.
„Meine Liebe“, sagte ich, als ich ihr wieder einmal ins Bett half, nachdem ich sie in diesem geschwächten und besinnungslosen Zustand entdeckt hatte, „was hast du bloß am Fenster gemacht? Du bist so bleich. Ich sollte einen Arzt rufen.“
Bei diesen Worten wurde sie sogleich hellwach und rief aus: „Nein! Ich will keinen Arzt sehen. Was könnte der schon ausrichten?“ Dann lachte sie seltsam gespenstisch und zwickte sich wild entschlossen in die Wangen, um wieder einen rosigen Schein darauf zu zaubern. „Siehst du? Es geht mir gut. Sogar ganz ausgezeichnet.“
Ihr seltsames Benehmen verursachte mir größte Sorge. Daraus wurde Bestürzung, als ich Lucy zudeckte und die winzigen Wunden an ihrer Kehle bemerkte, die sie bei Tag stets sorgfältig verbarg. „Lucy, die Male an deinem Hals, die ich so ungeschickt mit meiner Schalnadel verursacht habe, sind immer noch nicht verheilt, sondern offen und rot. Und sie scheinen gar größer als zuvor.“
„Ich habe dir doch gesagt, dass sie mir nichts ausmachen“, sagte sie und bedeckte die Wunden mit der Hand. „Nun lass mir meine Ruhe. Ich brauche meinen Schlaf.“
„Falls sie in einigen Tagen nicht besser geworden sind“, beharrte ich, „rufe ich einen Arzt.“
Am nächsten Morgen war Lucy
Weitere Kostenlose Bücher