Dracula, my love
Vorliebe für die Eisenbahn entwickelt.
„Ihre Züge hier in England sind großartig. Sie sind so leistungsfähig und verkehren so häufig. Man kann fahren, wohin man mag - wenn man will, quer durch das ganze Land -, dort einige höchst angenehme Stunden verbringen und genauso rasch wieder zurückkehren.“ Ebenso lobend äußerte er sich über das System der Untergrundbahn. „Auf der ganzen Welt gibt es nichts Vergleichbares. Was für eine ungeheure und fortschrittliche Unternehmung! Was für eine Großtat der Ingenieurwissenschaften! Mit größtem Interesse habe ich in den Zeitungen die Entwicklung dieser Bahnen verfolgt, seit man angefangen hat, das unterirdische System zu errichten.“
„Nun, vielleicht doch nicht ganz von Anfang an“, erwiderte ich mit einem Lachen. „Schließlich wurde der erste Abschnitt, soweit ich weiß ich, vor siebenundzwanzig Jahren eröffnet. Damals können Sie höchstens ein kleiner Junge gewesen sein.“
„Ich habe mich schon sehr früh für derlei interessiert.“
Sobald wir die Stadt erreicht hatten, rief er eine Droschke herbei, die uns nach Belgravia brachte. Als er sich in der engen Droschke neben mich setzte, ließ mir seine bloße Nähe eine warme Welle durch alle Glieder fahren, und mein Herz pochte nach wie vor heftig. „Sind Sie schon lange in London?“, fragte ich.
„Einige Wochen. Ich habe mir all die Sehenswürdigkeiten angeschaut, die Sie bei unserem letzten Treffen erwähnten, und viele andere auch noch. Ich halte London für weitaus moderner und weitläufiger als jede andere Hauptstadt, die ich in Europa kenne.“
„Würden Sie nicht Paris vorziehen?“
„Keineswegs.“ Mit seiner tiefen, erregenden Stimme fügte er hinzu: „Paris, das ist die alte Welt. London ist durch und durch modern, der große, vor Leben pulsierende Mittelpunkt der Welt.“
Es war früher Abend, als unsere Droschke in Marlborough Gardens ankam, und inzwischen war es ziemlich dunkel geworden. Plötzlich kam ich mir sehr töricht vor, dass ich kurz vor Einbruch der Nacht allein nach London gefahren war. Ich war dankbar, Herrn Wagner als Begleiter zu haben.
„Wie wunderschön“, murmelte ich, während wir die schmale, baumbestandene Straße hinuntergingen, die zu beiden Seiten von langen Reihen hoher, weißer, aristokratisch wirkender Häuser gesäumt war. Alle Gebäude sahen gleich aus: sie hatten fünf Stockwerke, und vor den mit kunstvoll verzierten Gesimsen und edlen Säulen umgebenen Fenstern prangten Altane.
„Denken Sie nur“, sagte ich voller Staunen, „meine Mutter ist Hunderte, vielleicht Tausende von Malen genau diese Straße entlanggelaufen. Sie hat in einem dieser Häuser gelebt. Vielleicht hat sie genau vor dieser Türschwelle gefegt. Oh! Wie ich mir wünsche, ich hätte sie gekannt!“
„Vielleicht können Sie hier etwas über sie erfahren.“
„Wie denn?“
„Sie kennen ihren Namen und den Familiennamen Ihres Vaters. Wir könnten Erkundungen einziehen, ob sich jemand an die beiden erinnert.“
„O nein! Mir würde es nie im Leben auch nur in den Sinn kommen, hier jemanden zu stören. Höchstwahrscheinlich könnte mir ohnehin niemand weiterhelfen. Mein Vater kann alle möglichen Berufe gehabt haben, vom Kutscher bis zum Postboten, und meine Mutter war ein Hausmädchen, das nur zwei Jahre hier gelebt hat, und das vor über zweiundzwanzig Jahren.“
„Ja, aber wenn man die Umstände ihres Fortgehens bedenkt ....“
Wärme überzog meine Wangen. „Sie meinen den Skandal?“
„So würde ich das nicht nennen, Frau Harker. Allerdings glaube ich, dass sich die Menschen im Allgemeinen an derlei Dinge erinnern und gern darüber reden.“
„Was soll ich denn sagen?“, antwortete ich mit einem beschämten Lachen. „Dass ich nach einem Hausmädchen namens Anna suche, das seine Arbeitsstelle verlassen musste, weil es guter Hoffnung war?“
„Genau.“
„Auf gar keinen Fall! Ich würde vor Scham vergehen.“ Ich machte kehrt und ging mit raschen Schritten zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. „Vielen Dank, dass Sie mir geholfen haben, die Straße zu finden, Sir. Ich freue mich, dass ich sie einmal gesehen habe. Ich bin es sehr zufrieden. Nun lassen Sie uns gehen.“
„Warten Sie! Ihr Leben lang haben Sie sich gefragt, wer Ihre Mutter gewesen sein mag“, sagte Herr Wagner, während er sich bemühte, mit mir Schritt zu halten. Sein Gesicht war vom Abendschein erhellt. „Und heute sind Sie den ganzen Weg hierhergefahren. Nun ist für
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