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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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beschützen. Wir wollen nicht verzweifeln! Es ist nur noch eine einzige Kiste übrig, und wir werden sie finden. Wenn dies geschehen ist, dann ist alles gut.« Ich sah, dass er so zuversichtlich sprach, wie er nur konnte, um Harker zu trösten. Der arme Mann war so niedergeschlagen, dass er noch nicht einmal sein beständiges Seufzen unterdrücken konnte – er dachte sicher an seine Frau.
    Mit traurigen Herzen kehrten wir in mein Haus zurück, wo uns Mrs. Harker erwartete. Sie trug eine frohe Miene zur Schau, die ihrem Mut und ihrer Selbstlosigkeit alle Ehre machte. Als sie jedoch unsere Gesichter sah, wurde sie blass wie der Tod, und sie schloss für ein oder zwei Sekunden die Augen wie im Gebet. Dann öffnete sie sie wieder und sagte freundlich:
    »Ich kann Ihnen allen niemals genug danken. Oh, mein armer Liebling …« – sie ergriff die blasse Hand ihres Mannes und küsste sie – »lege dein müdes Haupt hierher und ruhe aus. Alles wird am Ende gut werden, Liebster. Gott wird uns beschützen, denn er ist gütig!« Der arme Kerl aber stöhnte nur, in seinem einzigartigen Leid gab es keinen Platz mehr für Worte.
    Wir nahmen rasch unser Abendbrot ein, und ich muss sagen, es munterte uns auf. Vielleicht war es der Heißhunger der Erschöpfung, denn keiner von uns hatte seit dem ersten Frühstück einen Bissen über die Lippen gebracht, vielleicht war es aber auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Jedenfalls fühlten wir uns nach dem Essen alle etwas weniger elend, und wir sahen dem kommenden Morgen nicht ganz ohne Hoffnung entgegen. Getreu unserem Versprechen erzählten wir Mrs. Harker alles, was sich ereignet hatte. Und obwohl sie schneeweiß wurde, als sie hörte, in welcher Gefahr sich ihr Gatte befunden hatte, und rot, wenn von seiner Aufopferung die Rede war, lauschte sie doch tapfer und ruhig unseren Worten. Als die Rede darauf kam, wie bedenkenlos Harker sich auf den Grafen gestürzt hatte, klammerte |448| sie sich an den Arm ihres Mannes und hielt ihn fest, als könnte sie ihn dadurch vor allen kommenden Gefahren bewahren. Sie selbst sagte aber kein Wort, bevor sie nicht über alles unterrichtet war. Dann stand sie auf, ohne die Hand ihres Gatten loszulassen, und begann zu sprechen. Oh, wenn ich diese Szene doch beschreiben könnte, diese wundervolle, gute Frau in der strahlenden Schönheit ihrer Jugend und in all ihrer Lebendigkeit, mit der roten Narbe auf der Stirn, die sie niemals vergaß und die wir mit Zähneknirschen ansahen, da auch wir nicht vergessen konnten, wann und warum sie entstanden war. Mrs. Harker war voller Freundlichkeit und Liebe, wir aber waren erfüllt von grimmigem Hass. Ihr Vertrauen und ihr Glaube standen unseren Befürchtungen und Zweifeln gegenüber. Und dennoch war sie es, die, wenn die Symbole nicht lügen, in all ihrem Gottvertrauen, ihrer Reinheit und Güte von Gott verstoßen war.
    »Jonathan«, begann sie, und das Wort klang auf ihren Lippen wie Musik, so erfüllt war es von Liebe und Zärtlichkeit, »liebster Jonathan, und Sie alle, meine treuen, wahren Freunde! Ich bitte Sie, in dieser schrecklichen Zeit eines nicht aus den Augen zu verlieren. Ich weiß, dass Sie das Ungeheuer bekämpfen, dass Sie es vernichten müssen, wie Sie auch die falsche Lucy vernichten mussten, um der wirklichen Lucy das ewige Leben zu geben. Aber dies darf kein Werk des Hasses sein! Die arme Seele, die all dieses Leid hervorgebracht hat, ist ja selbst am schlimmsten dran. Bitte stellen Sie sich einmal vor, wie unendlich glücklich diese Seele sein muss, wenn ihr böser Teil zugunsten des edleren vernichtet ist und sie endlich in die Ewigkeit eingehen kann! Wenn es Ihre Hände auch keinesfalls davon abhalten darf, ihn zu vernichten, so müssen Sie trotzdem Mitleid mit ihm haben.«
    Während ihrer Worte konnte ich erkennen, wie sich das Gesicht ihres Mannes immer mehr verfinsterte. Es schien, als ob die in ihm brodelnde Leidenschaft seine ganze Gestalt auf ihren Kern zusammenzog. Unwillkürlich wurde sein Griff fester, und er drückte die Hand seiner Frau so stark, dass seine Knöchel dabei |449| weiß wurden. Sie aber zuckte nicht einmal mit der Wimper unter diesem Schmerz, den sie zweifellos empfinden musste, sondern blickte ihn mit Augen an, die flehender waren als jemals zuvor. Als sie mit ihrem Appell geendet hatte, sprang er auf die Füße, sodass ihre Hand beinahe der seinen entglitt, und entgegnete:
    »Gott möge ihn mir wenigstens so lange in die Hände geben, dass ich sein irdisches

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