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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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wurde von Mina geweckt, die aufrecht im Bett saß und sich verwirrt umblickte – ich konnte sie genau erkennen, denn wir hatten das Zimmer nicht verdunkelt. Sie legte ihre Hand warnend auf meinen Mund und flüsterte mir ins Ohr:
    »Pst, es ist jemand auf dem Korridor!« Ich stand leise auf, durchquerte das Zimmer und öffnete vorsichtig die Tür.
    Draußen lag, auf einer Matratze ausgestreckt, Mr. Morris, vollkommen wach. Er erhob ebenfalls als Mahnung zur Stille die Hand und flüsterte:
    »Gehen Sie nur zu Bett, es ist alles in Ordnung. Einer von uns ist immer hier, die ganze Nacht über. Wir wollen kein Risiko eingehen!«
    Sein Blick und seine Gesten untersagten eine Diskussion, deshalb ging ich zu Mina zurück und berichtete ihr. Sie seufzte, aber es flog auch der Schimmer eines Lächelns über ihr armes, blasses Gesicht. Ihre Arme um mich schlingend flüsterte sie:
    »Wie danke ich Gott für diese guten, mutigen Männer!« Mit |452| einem Seufzer sank sie darauf in den Schlaf zurück. Ich schreibe dies, da ich keinen Schlaf finde, aber ich muss es erneut versuchen.
     
    4. Oktober, morgens
    Noch einmal wurde ich in dieser Nacht durch Mina geweckt. Dieses Mal aber mussten wir schon einige Stunden geschlafen haben, denn im Grau des erwachenden Tages hoben sich die Rechtecke der Fenster bereits scharf von der Wand ab, und die Gasflamme leuchtete eher als Fünkchen denn als ein volles Licht. Mina sagte hastig:
    »Geh, hole den Professor. Ich muss ihn sofort sprechen!«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Ich habe eine Idee. Ich glaube, sie ist mir über Nacht gekommen und ohne mein Zutun gereift. Er soll mich noch vor dem Sonnenaufgang hypnotisieren, dann werde ich etwas sagen können. Eile dich, Liebster, die Zeit wird knapp!« Ich ging zur Tür. Auf der Matratze lag jetzt Dr. Seward, der sofort aufsprang, als er mich erblickte.
    »Ist etwas geschehen?«, fragte er erregt.
    »Nein«, erwiderte ich, »aber Mina möchte sofort Dr. van Helsing sprechen.«
    »Ich werde ihn holen«, sagte er und eilte ins Zimmer des Professors.
    Zwei oder drei Minuten später trat van Helsing in seinem Morgenmantel in unser Zimmer, und Mr. Morris und Lord Godalming standen bei Dr. Seward an der Tür und bedrängten diesen mit Fragen. Als der Professor Mina sah, machte die Angst in seinem Gesicht einem Lächeln Platz. Er rieb sich die Hände und sagte:
    »Oh, meine liebe Madame Mina, das ist in der Tat eine Veränderung! Sehen Sie doch nur, Freund Jonathan, wir haben heute unsere liebe Madame Mina zurück, ganz wie wir sie kennen!« Dann wandte er sich zu ihr und fragte freudig: »Was darf ich für |453| Sie tun? Zu einer solchen Stunde haben Sie mich ja sicher nicht ohne einen wichtigen Grund rufen lassen.«
    »Ich möchte Sie bitten, mich zu hypnotisieren«, antwortete sie. »Und zwar, bevor es Tag wird, denn ich fühle, dass ich etwas zu sagen habe. Aber beeilen Sie sich, die Zeit ist knapp!« Ohne ein Wort zu erwidern, bedeutete er ihr durch einen Wink, sich im Bett aufzusetzen.
    Dann fasste er sie fest ins Auge und begann, vor ihrem Gesicht mit seinen Händen gleichförmige Bewegungen zu vollführen, immer von oben nach unten, wobei sich seine Hände beständig abwechselten. Einige Minuten vergingen, während denen Mina ihn unverwandt anstarrte. Mein eigenes Herz schlug wie ein Hammerwerk, denn ich fühlte einen entscheidenden Moment herannahen. Langsam schlossen sich ihre Augen, und sie saß ganz steif da. Einzig die ruhige Bewegung ihrer Brust verriet, dass noch Leben in ihr war. Der Professor machte noch einige Handbewegungen, dann hielt er inne. Ich konnte erkennen, dass seine Stirn mit Schweißtropfen übersät war. Mina öffnete die Augen wieder, aber sie schien nicht mehr dieselbe Frau zu sein. Ihr Blick war wie in weite Ferne gerichtet, und ihre Stimme hatte einen traurigen, träumerischen Klang, der mir an ihr fremd war. Der Professor hob die Hand, um Stille zu gebieten, und machte mir ein Zeichen, die anderen hereinzuholen. Sie kamen auf Zehenspitzen, schlossen die Tür hinter sich und stellten sich am Fußende des Bettes auf – Mina schien sie gar nicht zu sehen. Van Helsing beendete das Schweigen mit leiser, tiefer Stimme, um den Fluss ihrer Gedanken nicht zu stören:
    »Wo sind Sie?« Sie antwortete, ohne die geringste Regung zu zeigen:
    »Ich weiß nicht. Der Schlaf hat keinen Platz, den er sein eigen nennen könnte.« Es folgten mehrere Minuten absoluter Stille. Mina saß aufrecht, der Professor fixierte sie mit starrem

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