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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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an Bord des Schiffes geblieben sei. Er antwortete: »Wir haben dafür den besten nur denkbaren Beweis: die Aussagen, die Sie heute früh in Trance gemacht haben.« Ich fragte ihn darauf erneut, ob es denn wirklich notwendig sei, den Grafen zu verfolgen. Diesmal ging es mir bei meiner Frage um mich, denn ich fürchtete zu sehr, dass Jonathan mich verlassen könnte – wenn alle anderen gingen, würde auch er sich schließlich nicht zurückhalten lassen. Der Professor antwortete mir zunächst ruhig, aber seine Erregung steigerte sich mit der Zeit bis hin zu einem Zorn, in dem wir alle nicht umhin konnten, die dominante Persönlichkeit zu erkennen, die sicher ihren Anteil daran hatte, ihm seine Ausnahmestellung unter den Männern einzutragen.
    »Ja, es ist notwendig! Notwendig, notwendig, notwendig! In erster Linie um Ihrer selbst willen, dann aber auch um der Menschheit |464| willen. Dieses Monster hat schon genug Übles angerichtet in dem beschränkten Spielraum und in der kurzen Zeit, in der es mit seinen Handlungen gleichsam noch im Dunkeln tappte. All das habe ich den anderen schon erläutert; Sie aber, meine liebe Madame Mina, können es aus den Aufzeichnungen Ihres Mannes oder aus dem phonographischen Tagebuch meines Freundes John erfahren. Ich habe ihnen dargelegt, dass der Entschluss des Grafen, sein eigenes, dünn besiedeltes Land zu verlassen und ein neues Land aufzusuchen, wo die Menschen dicht wie Kornähren wachsen, das Werk von Jahrhunderten war. Hätte ein anderer Untoter als er einen solchen Versuch gewagt, so hätten wahrscheinlich alle vergangenen und alle noch kommenden Jahrhunderte nicht ausgereicht, dies gelingen zu lassen. Bei diesem Einen aber müssen alle okkulten, abgründigen und mächtigen Kräfte der Natur in merkwürdiger Weise zusammengewirkt haben. Das Land, in dem dieser Untote seit Jahrhunderten gelebt hat, ist voll von Absonderlichkeiten auf den Gebieten der Geologie und der Chemie. Es gibt dort so tiefe Höhlen und Spalten, dass niemand weiß, ob sie überhaupt ein Ende haben. Es gab dort Vulkane, deren Krater noch heute Wasser von ganz eigentümlicher Beschaffenheit ausspeien, und Gase, die zu töten oder zu heilen vermögen. Zweifellos sind in einigen dieser unerforschten Kräfte auch magnetische und elektrische Strömungen vorhanden, die sich auf den lebenden Organismus in seltsamster Weise auswirken können. Und zeigte er nicht auch selbst bereits von Anfang an Qualitäten, die ihn über seine Zeitgenossen erhoben? In einer rauen, kriegerischen Zeit war er wegen seiner eisernen Nerven, seiner Klugheit und seiner Tapferkeit berühmt. In ihm haben einige vitale Prinzipien in unfassbarer Weise ihre höchste Vollendung erlangt, und wie sein Körper erstarkte, wuchs und gedieh, so wuchs auch sein Verstand. All dies erreichte er ohne dämonische Kräfte, über die er zusätzlich verfügt, die aber denjenigen Mächten weichen müssen, die im Guten ihren Ursprung haben. Nun wissen wir also, was wir von ihm zu halten haben. Er hat Sie vergiftet – verzeihen Sie mir, meine Liebe, |465| dass ich das ausspreche, aber es ist nur zu Ihrem Besten! Selbst wenn er Ihnen nie mehr nahekommt, so hat er Sie in einer Weise vergiftet, dass Sie Ihr Leben einfach weiterleben können wie bisher, auf die Ihnen vertraute Weise, dass Sie aber später, wenn der Tod kommt, unabänderlich werden wie er. Das darf nicht geschehen! Wir haben es einander geschworen, dass es nicht sein darf. Wir sind in diesem Falle die Vollstrecker des göttlichen Willens: Gott will die Welt und die Menschen, für die sein eigener Sohn in den Tod gegangen ist, nicht einem solchen Ungeheuer überlassen, dessen bloße Existenz schon eine Lästerung des Allmächtigen darstellt. Es war uns schon vergönnt, eine Seele zu erretten, und wir ziehen nun aus wie die alten Kreuzritter, um noch mehr zu erlösen. Wie sie ziehen wir gen Sonnenaufgang, und wenn wir fallen müssen, so fallen wir wie sie um einer guten Sache willen.«
    Er machte eine kurze Pause, und ich sagte:
    »Aber wird der Graf aus diesem Misserfolg denn nicht auch seine Lehren ziehen? Wird er nicht, nachdem er aus England vertrieben worden ist, dieses Land meiden wie der Tiger das Dorf, in dem man Jagd auf ihn gemacht hat?«
    »Ah«, sagte er, »Ihr Vergleich mit dem Tiger ist gut, und ich werde ihn übernehmen. Ihr ›Menschenesser‹, wie die Inder einen Tiger nennen, der schon einmal Menschenblut gekostet hat, schaut keine andere Beute mehr an, sondern streift von seiner

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