Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
Vom Netzwerk:
Begierde getrieben umher auf der Suche nach neuem Menschenfleisch. Der, den wir von unserem Dorf aus jagen, ist auch ein Tiger, ein Menschenesser, und auch er wird sein nächtliches Herumschleichen nie aufgeben. Leider ist seine Natur nicht danach, sich zurückzuziehen oder von etwas fernzuhalten. Zu seinen Lebzeiten, seinen wirklichen Lebzeiten, überschritt er die türkische Grenze und griff den Feind auf dessen eigenem Boden an. Er wurde zurückgeschlagen, aber hielt ihn dies ab, erneut einzubrechen? Nein! Er kam wieder und wieder und wieder. Beachten Sie seine Ausdauer und seine Hartnäckigkeit. Mit seinem Kindergehirn fasste er schon vor langer Zeit den Plan, in eine große |466| Stadt zu gehen. Was tat er? Er fand diejenige heraus, die ihm von allen Städten der Welt die günstigsten Aussichten bietet. Dann machte er sich in wohlüberlegter Weise an die Durchführung seiner Idee. Er prüfte in Ruhe alle seine Fähigkeiten und Kräfte, er lernte neue Sprachen, er unterrichtete sich über die neuen gesellschaftlichen Umgangsformen und die neuen Gegebenheiten der modernen Welt: die Politik, das Rechtswesen, die Finanzwirtschaft und die Wissenschaften. Er studierte die Gebräuche eines neuen Landes und eines neuen Volkes, das erst zu seinen Lebzeiten entstanden ist. Die Einblicke, die er dabei gewann, vergrößerten nur seinen Appetit und seine Begierde. Seine geistigen Kräfte wuchsen über all dem, und er fand durch den Augenschein bestätigt, was seine Gier ihm versprochen hatte. Er hat dies alles ganz allein zuwege gebracht, aus einer Grabruine in einem vergessenen Land heraus! Wie viel mehr aber würde er doch ausrichten können, wenn er sich die große Welt des Wissens eröffnete! Er, der, wie wir wissen, über den Tod lachen kann, und der inmitten von Seuchen, die ganze Völker dahinraffen, gedeiht! Oh, wenn ein solcher wie er von Gott käme, und nicht vom Teufel – welch eine Macht des Guten würde er in unserer Welt darstellen! Aber wir haben uns gegenseitig geschworen, die Welt zu befreien. Unsere Arbeit muss im Stillen vorbereitet, unsere Pläne müssen im Geheimen überlegt werden, denn in unserem aufgeklärten Zeitalter, in dem die Menschen nicht einmal das glauben, was sie sehen, sind die Zweifel der Gebildeten seine größte Stärke. Unsere Zweifel wären ihm Schild und Waffe zugleich, um uns zu vernichten. Uns, die wir gewillt sind, sogar unsere eigenen Seelen aufs Spiel zu setzen für das Heil der einen, die wir lieben. Zum Wohle der Menschheit und zu Gottes Ruhm und Ehre!«
    Nach einer allgemeinen Diskussion beschlossen wir, heute Nacht keine Entscheidungen mehr zu treffen. Wir alle wollen die Sache überschlafen, jeder wird zunächst für sich selbst die Fakten bedenken und seine eigenen Schlüsse ziehen. Morgen wollen wir uns dann zum Frühstück wieder treffen und uns gegenseitig |467| unsere Schlussfolgerungen vorstellen. Danach werden wir uns miteinander auf einen verbindlichen Plan verständigen.
    In mir herrschen heute Nacht auf wunderbare Weise Ruhe und Frieden. Es ist, als wäre ein Albdruck von mir genommen. Sollte vielleicht gar …
    Ich habe den Gedanken nicht zu Ende gebracht, ich konnte ihn nicht zu Ende denken, denn ich sah im Spiegel das rote Mal auf meiner Stirn, und ich weiß nun, dass ich immer noch
unrein
bin.
     
    Dr. Sewards Tagebuch
     
    5. Oktober
    Wir standen alle früh auf, und ich glaube, der Schlaf hat uns ohne Ausnahme gut getan. Als wir uns zum Frühstück setzten, herrschte eine größere allgemeine Fröhlichkeit, als wir je wieder meinten empfinden zu können.
    Es ist wunderbar, welche Widerstandsfähigkeit die menschliche Natur besitzt. Sobald niederdrückende Hemmnisse, welcher Art auch immer, aus dem Weg geräumt sind, wird unser Inneres wieder auf seine tiefsten Grundprinzipien Hoffnung und Freude zurückgeworfen. Als wir so um den Tisch versammelt saßen, kam mir immer wieder der Gedanke, dass all das, was wir die letzten Tage erlebt hatten, nur ein grässlicher Traum gewesen sein konnte, und nur der Blick auf die rote Narbe an Mrs. Harkers Stirn brachte mich wieder in die Realität zurück. Selbst jetzt noch, wo ich die Sache schon so oft durchdacht habe, kann ich mir kaum vorstellen, dass der Urheber all unseres Leides noch immer existiert. Und auch Mrs. Harker scheint auf Augenblicke ihr Elend zu vergessen; nur dann und wann, wenn irgendetwas sie darauf bringt, denkt sie noch an ihre schreckliche Narbe. In einer halben Stunde wollen wir hier in meinem

Weitere Kostenlose Bücher