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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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gibt.
     
    Später
    Wie seltsam mir alles vorkommt. Ich bewachte Minas frohen Schlaf und fühlte mich dabei schon fast so glücklich, wie ich es nur sein konnte. Als der Abend herankam und die sinkende Sonne lange Schatten auf die Erde malte, wurde mir im stillen Raum dann immer feierlicher zumute. Plötzlich schlug Mina die Augen auf, sah mich zärtlich an und sagte:
    »Jonathan, du musst mir etwas auf dein Ehrenwort versprechen. Du versprichst es
mir,
aber Gott ist unser Zeuge, und du darfst deinem Wort nicht untreu werden, sollte ich mich vor dir auch auf den Knien winden und dich mit heißen Tränen darum anflehen. Schnell, du musst es mir sofort versprechen!«
    |473| »Mina«, sagte ich, »ein solches Versprechen kann ich nicht so ohne Weiteres geben. Vielleicht habe ich gar kein Recht dazu.«
    »Aber Liebster«, sagte sie mit Nachdruck, und ihre Augen leuchteten wie Sterne,
» ich
bin es ja, die es sich wünscht, und ich tue es ja nicht um meinetwillen. Du kannst van Helsing fragen, ob ich richtig handle. Wenn er mir Unrecht gibt, kannst du tun, was du für nötig hältst. Nein, noch mehr als das: In dem Fall, dass ihr alle euch später einhellig gegen die Einhaltung deines Versprechens aussprecht, bist du von ihm entbunden.«
    »Dann verspreche ich es!«, sagte ich, und einen Augenblick schoss ein Anflug von Glück über ihr Gesicht. Ich aber glaube nicht an ihr Glück, solange ich die rote Narbe auf ihrer Stirn sehe. Sie fuhr fort:
    »Versprich mir, dass du mir gegenüber nie etwas von dem verlauten lässt, was ihr gegen den Grafen im Schilde führt. Weder in Worten, noch durch Zeichen, noch durch Andeutungen. So lange nicht, wie ich dieses Zeichen hier trage.« Sie wies auf die Narbe an ihrer Stirn, und ich sah, dass es ihr ernst war. Ich antwortete also:
    »Ich verspreche es.« Als ich das sagte, hatte ich augenblicklich ein Gefühl, als würde sich eine Tür zwischen uns beiden schließen.
     
    Später, Mitternacht
    Mina ist den ganzen Abend froh und heiter gewesen, so sehr, dass wir alle wieder Mut fassten. Es war, als hätte sich ihre Fröhlichkeit auch auf uns übertragen. Selbst mir, auf dem doch das Leid besonders schwer zu lasten scheint, kam es vor, als würde dieses Gewicht etwas nachlassen. Wir zogen uns alle früh zurück. Mina schläft nun wie ein Kind; es ist seltsam, dass sie ihre Fähigkeit zu schlafen selbst im tiefsten Gram nicht einbüßt. Wenigstens vergisst sie so ihre Sorgen. Vielleicht wirkt ja auch in dieser Beziehung ihr gutes Beispiel, wo doch heute Abend bereits ihre Fröhlichkeit |474| so ansteckend auf uns gewirkt hat? Ich will es versuchen. Was gäbe ich für einen Schlaf ohne Träume …
     
    6. Oktober, morgens
    Eine neue Überraschung. Mina weckte mich früh, etwa zur selben Zeit wie gestern, und bat mich, van Helsing zu holen. Ich dachte, sie wolle wieder hypnotisiert werden, und ging ohne weitere Frage, um ihn zu wecken. Er hatte offenbar erwartet, gerufen zu werden, denn er saß vollkommen angekleidet in seinem Zimmer. Seine Tür stand offen, sodass er sofort hören konnte, wenn sich bei uns etwas rührte. Er kam ohne zu zögern mit mir. Als er in unser Zimmer trat, fragte er Mina, ob die anderen auch kommen sollten.
    »Nein«, antwortete sie schlicht, »das ist nicht nötig. Sie können es ihnen ja sagen. Ich muss nämlich mit Ihnen auf Ihre Reise gehen.« Van Helsing war ebenso erstaunt wie ich. Nach einer Pause fragte er:
    »Aber warum denn?«
    »Sie
müssen
mich mitnehmen. Ich bin sicherer bei Ihnen, und Sie sind ebenfalls sicherer.«
    »Aber wie das, Madame Mina? Sie wissen, dass Ihre Sicherheit unsere heiligste Pflicht ist. Wir gehen einer Gefahr entgegen, welche für Sie um ein Vielfaches größer ist oder größer sein kann als für uns, und das aus Gründen … aus stattgefundenen Ereignissen …« – er unterbrach sich verwirrt.
    Als sie antwortete, erhob sie ihren Finger und deutete auf ihre Stirn.
    »Ich weiß. Darum eben
muss
ich mitgehen. Ich kann es Ihnen jetzt sagen, während die Sonne aufgeht, vielleicht werde ich es nicht noch einmal sagen können. Ich weiß, dass ich gehen muss, wenn der Graf nach mir verlangt. Ich weiß, dass ich, wenn er mich im Geheimen ruft, ihm folgen muss mit aller List und Tücke, selbst wenn ich dabei Jonathan hintergehe.« Gott sah den Blick, den sie mir bei ihren Worten zuwarf, und wenn es wirklich einen |475| Engel gibt, der alles verzeichnet, so wird dieser Blick zu ihrer immerwährenden Ehre festgehalten sein. Ich konnte

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