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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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und hielt sie fest. Mir fiel auf, dass er dabei Zeigefinger und Daumen verwendete, wie um ihren Puls zu fühlen. Ich nahm an, dass er dies instinktiv tat, und hörte Mrs. Harker zu.
    »Der Graf ist ein Verbrecher, und zwar von einem ganz bestimmten Typus. Nordau und Lombroso 5 würden ihn so klassifizieren, |497| und weil er Verbrecher ist, ist er auch von unvollkommen ausgebildetem Verstand. Er greift also unter schwierigen Verhältnissen zu dem, was ihm die Gewohnheit eingibt. Seine Vergangenheit mag uns vielleicht einen Anhaltspunkt geben. Das eine Blatt aus dem Buch seiner Vergangenheit, das wir kennen – es sind seine eigenen Worte –, sagt uns, dass er früher schon, wenn er in der Klemme war, aus dem Land, in das er eingefallen war, wieder in sein eigenes zurückkehrte. Von da aus bereitete er dann, ohne sein Ziel auch nur einen Augenblick aus den Augen zu verlieren, einen neuen Überfall vor. Er kam wieder, besser ausgerüstet, und er gewann. So kam er auch nach London, um sich ein neues Land untertan zu machen. Er wurde zurückgeschlagen, und als er sah, dass alle seine Hoffnung auf Erfolg umsonst, dass seine Existenz in Gefahr war, flüchtete er über das Meer in sein Heimatland zurück, gerade wie er vor Jahren aus dem Türkenland über die Donau entwichen war.«
    »Sehr gut, oh Sie kluge Frau!«, applaudierte van Helsing enthusiastisch, beugte sich nieder und küsste ihr die Hand. Einen Augenblick später raunte er mir zu, so still, als handle es sich um eine Konsultation am Krankenbett.
    »Nur zweiundsiebzig, und das bei dieser Erregung! Ich beginne wieder zu hoffen.« Gleich darauf wandte er sich wieder erwartungsvoll an sie:
    »Aber nun weiter. Sie können uns noch mehr erzählen, wenn Sie nur wollen. Seien Sie ohne Sorge, John und ich sind bereits im Bilde. Ich bin es auf jeden Fall, und ich werde es Ihnen sagen, wenn Sie das Richtige treffen. Sprechen Sie ohne Furcht!«
    »Ich will es versuchen, aber Sie dürfen es mir nicht verübeln, wenn es egoistisch klingt.«
    »Nein, keine Sorge, Sie müssen egoistisch sein, denn es geht in unseren Überlegungen ja schließlich auch um Sie.«
    »Also gut: Als Verbrecher ist er selbstsüchtig, und da sein Intellekt klein und sein Handeln nur auf Selbstsucht begründet ist, so konzentriert er sich auch nur auf ein einziges Ziel. Dieses Eine |498| aber verfolgt er skrupellos. Wie er damals über die Donau entfloh und seine Heerscharen in Stücke hauen ließ, so ist er auch heute nur darauf aus, sich in Sicherheit zu bringen. Auf diese Weise ist durch seinen Egoismus meine Seele frei geworden von der entsetzlichen Macht, die er seit jener Unglücksnacht über mich besaß. Ich fühle es! Meine Seele ist freier als je seit jener grauenvollen Stunde, mich quält einzig die Sorge, er könnte meine Trance oder meine Träume zu seinen Zwecken ausgenützt haben.« Der Professor stand auf.
    »Ja, er
hat
Ihren Geist benutzt. Auf diese Weise konnte er uns hier in Varna zurücklassen, während er das Schiff, das ihn trug, mit Hilfe seines Nebels nach Galatz führte, wo er sicherlich schon Vorbereitungen für seine Flucht getroffen hat. Sein kurzsichtiger Verstand hat nur bis hierher gereicht, Gottes Vorsehung jedoch sorgt dafür, dass genau das, was der Übeltäter in seinem Eigennutz am meisten wünscht, sich als sein größter Schaden herausstellen wird. Der Jäger wird in seinen eigenen Fallstricken gefangen werden, wie es im Psalm heißt. Denn jetzt, wo er sich vor unserer Verfolgung sicher und uns mit einem großen Vorsprung entronnen zu sein glaubt, wird ihn sein egoistisches Kindergehirn in Ruhe wiegen. Auch meint er, dass wir keine Kenntnis von ihm bekommen können, da er ja die Verbindung zu Ihnen abgebrochen hat. Aber hier irrt er! Diese entsetzliche Bluttaufe, die er Ihnen gegeben hat, hat Ihnen die Fähigkeit verliehen, im Geiste zu ihm zu kommen, wie Sie es ja schon mehrfach getan haben. Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang folgen Sie
meinem
Willen, und nicht dem seinen. Diese Fähigkeit, die Ihnen und uns zum Heil gereicht, haben Sie durch das Leid gewonnen, das seine Hand Ihnen zugefügt hat. Das ist alles umso wertvoller, als er selbst es nicht weiß, und seine Vorsicht hat ihm auch die Möglichkeit genommen, zu erfahren, wo wir uns befinden. Wir sind nicht selbstsüchtig, und wir glauben, dass Gott durch all diese Schwärze und all diese finsteren Stunden hindurch mit uns ist. Wir werden den Feind verfolgen und wir werden nicht wanken, |499| selbst auf die

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