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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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eintreffen, aber schon in Bukarest hatten wir drei Stunden Verspätung. Es sieht also so aus, als würden wir keinesfalls vor Sonnenaufgang ankommen. Damit bleiben uns noch zwei weitere Hypnosesitzungen mit Informationen von Mrs. Harker, wenigstens eine von beiden sollte Licht auf die Ereignisse werfen.
     
    Später
    Sonnenuntergang ist vorüber. Glücklicherweise wurden wir um diese Zeit nicht gestört, denn hätte der Zug gerade auf einer Station gehalten, so hätten wir wohl kaum die notwendige Ruhe und Abgeschiedenheit gewährleisten können. Mrs. Harker ergab sich dem hypnotischen Einfluss wieder nur unter großen Schwierigkeiten. Ich fürchte, dass ihre Fähigkeit, die Gefühle des Grafen zu lesen, gerade dann dahinschwindet, wenn wir ihrer am meisten bedürfen. Auch kommt es mir so vor, als würde sich zunehmend ihre Fantasie einmischen, denn bisher hatte sie sich in Trance auf das Konstatieren von Fakten beschränkt. Wenn das so weitergeht, könnte es uns letztendlich in die Irre führen. Wenn anzunehmen wäre, dass die Macht des Grafen über sie in demselben Maß schwinden würde wie ihre Fähigkeit, seine Wahrnehmungen zu lesen, so wäre das beruhigend für uns. Ich fürchte aber, dass dies nicht so ist. Als sie nämlich sprach, waren ihre Worte rätselhaft:
    »Etwas geht heraus, es streift über mich wie ein kühler Wind. Aus weiter Entfernung höre ich undeutliche Geräusche – Männerstimmen in fremdartigen Sprachen, herabstürzendes Wasser und das Heulen von Wölfen.« Sie brach ab, und ein Schauer durchrann sie, der sich einige Sekunden bis zu einem Schütteln |503| steigerte und schließlich in eine Art Starre mündete. Sie sagte kein Wort mehr, auch nicht auf des Professors fordernde Fragen. Als sie aus der Trance erwachte, fror sie und war erschöpft und matt, aber ihr Geist war vollständig klar. Sie konnte sich an nichts erinnern, erkundigte sich aber, was sie gesagt habe. Nachdem wir es ihr mitgeteilt hatten, versank sie auf lange Zeit in ein tiefes, grüblerisches Schweigen.
     
    30. Oktober, 7 Uhr morgens
    Wir sind nun kurz vor Galatz, und es ist möglich, dass ich später keine Zeit zum Schreiben mehr finde. Der heutige Sonnenaufgang war von uns allen mit ängstlicher Spannung erwartet worden. Eingedenk der Tatsache, dass es immer schwieriger wird, Mrs. Harker in Trance zu versetzen, hat van Helsing diesmal deutlich früher mit dem Hypnotisieren begonnen. Er konnte jedoch trotzdem lange nichts bei ihr erreichen, und als sie ihm schließlich gehorchte, war es bereits eine Minute vor Sonnenaufgang. Der Professor verlor keine Zeit und begann unverzüglich zu fragen, worauf sie ebenso schnell antwortete:
    »Alles ist dunkel. Ich höre Wasser neben mir vorbeirauschen, und Holz, das auf Holz knarrt. Kühe, weit entfernt. Da ist noch ein anderer Ton, er klingt seltsam, so wie …«
    – sie schwieg und wurde immer blasser.
    »Weiter! Weiter! Sprechen Sie, ich befehle es Ihnen!«, rief van Helsing angstvoll, zugleich zeigte sich Verzweiflung in seinen Augen, denn die aufgehende Sonne rötete nun schon Mrs. Harkers bleiches Gesicht. Da öffnete sie die Augen, und wir alle staunten nicht wenig, als sie freundlich und mit großer Sorglosigkeit sagte:
    »Ach, Professor, warum verlangen Sie etwas von mir, von dem Sie wissen, dass ich es nicht kann? Ich erinnere mich an gar nichts mehr.« Unsere verblüfften Mienen müssen sie dann verwirrt haben, denn während sie uns der Reihe nach ansah, fügte sie unsicher hinzu:
    |504| »Was habe ich gesagt? Was habe ich getan? Ich weiß nichts, außer, dass ich im Halbschlaf hier lag und Sie sagen hörte: ›Weiter! Weiter! Sprechen Sie, ich befehle es Ihnen!‹ Es kam mir so komisch vor, mich von Ihnen schelten zu lassen wie ein unartiges Kind.«
    »Oh, Madame Mina«, sagte er traurig, »ein Wort zu Ihrem Besten, strenger gesprochen als sonst, ist nur der Beweis, falls so ein Beweis überhaupt nötig sein sollte, wie sehr ich Sie liebe und verehre. Und es klang Ihnen komisch, da es ein Befehl an diejenige war, der zu gehorchen ich sonst stolz bin.«
    Die Zugpfeife ertönt, wir fahren in Galatz ein. Wir glühen vor Aufregung und Tatendrang …
     
    Mina Harkers Tagebuch
     
    30. Oktober
    Mr. Morris begleitete mich ins Hotel, wo unsere Zimmer bereits telegrafisch reserviert waren. Er ist aus unserer Gruppe am leichtesten abkömmlich, da er keine fremde Sprache spricht. Wir haben unsere Kräfte so aufgeteilt wie in Varna auch, nur dass diesmal Lord Godalming zum

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