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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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mittags
    Zu merkwürdig, immer noch keine Nachrichten von dem erwarteten Schiff. Mrs. Harker berichtete gestern Abend und heute früh wie üblich »plätschernde Wellen, rauschendes Wasser«, wobei sie noch hinzufügte, dass die Wellen »sehr schwach« seien. |490| Auch die Telegramme von London bringen immer dasselbe: »Keine weitere Meldung.« Van Helsing ist schrecklich besorgt und vertraute mir soeben an, er fürchte sehr, dass der Graf uns entwische. Er fügte bedeutsam hinzu:
    »Diese Lethargie Madame Minas gefiel mir vom ersten Augenblick an nicht recht. Die Seele und das Gedächtnis können in Trance seltsame Dinge verrichten.« Ich wollte ihn gerade um eine Erklärung seiner Worte bitten, da kam Harker herein, van Helsing hob warnend die Hand und ich schwieg. Wir müssen heute bei Sonnenuntergang versuchen, sie in ihrer Hypnose zum Reden zu bringen.
     
    Telegramm von Rufus Smith, London,
    an Lord Godalming, c/o H. B. M. Vizekonsul, Varna
     
    28. Oktober,
    »Zarin Katharina« heute um ein Uhr vor Galatz gemeldet.
     
    Dr. Sewards Tagebuch
     
    28. Oktober
    Als das Telegramm eintraf, das uns die Ankunft des Schiffes in Galatz meldete, waren wir alle weit weniger entsetzt, als man hätte vermuten können. Natürlich wussten wir vorher nicht, woher, wie und wann uns der Blitz in Form einer schlimmen Nachricht treffen würde, aber ich denke, wir alle waren darauf gefasst zu erfahren, dass unsere Pläne durchkreuzt waren. Die sich immer weiter hinauszögernde Ankunft des Schiffes in Varna hatte uns bereits darauf vorbereitet, dass die Dinge nicht so laufen würden, wie wir erwartet hatten. Tief in unserem Inneren warteten wir wahrscheinlich schon seit einiger Zeit nicht mehr auf das Schiff, sondern eher auf die Offenbarung des Punktes, an dem |491| unsere Pläne vereitelt worden waren. Und dennoch muss man es wohl eine Überraschung nennen. Ich nehme an, die menschliche Natur beruht auf dem Prinzip der Hoffnung, denn wir nehmen nur allzu oft gegen unser besseres Wissen an, dass sich die Dinge so entwickeln würden, wie wir es uns wünschen. Eine solche Hoffnung mag für die Engel ein Leuchtturm sein, für die Menschen aber ist sie ein Irrlicht. Diese Enttäuschung war eine merkwürdige Erfahrung, und jeder von uns ging auf seine eigene Weise damit um. Van Helsing hob für einen Moment die Hände über den Kopf, als wollte er sich beim Allmächtigen selbst beschweren, aber er sagte kein einziges Wort und hatte sich schon nach wenigen Augenblicken wieder in der Gewalt. Lord Godalming wurde kreidebleich und saß schwer atmend auf seinem Stuhl. Ich selbst war nur halb überrascht und schaute die anderen mit Verwunderung der Reihe nach an. Quincey Morris zog mit einer raschen, mir wohlvertrauten Bewegung seinen Gürtel enger – auf unseren gemeinsamen Reisen bedeutete dies bei ihm immer: »Vorwärts!« Mrs. Harker wurde leichenblass, sodass die Narbe auf ihrer Stirn zu brennen schien, aber sie faltete demütig die Hände und blickte wie im Gebet empor. Harker aber lächelte, er lächelte tatsächlich! Es war das finstere, bittere Lächeln derer, die alle Hoffnung aufgeben, aber zugleich strafte seine Hand seine Miene Lügen, denn sie fuhr instinktiv an den Griff seines Gurkha-Messers und klammerte sich dort fest. »Wann geht der nächste Zug nach Galatz?«, fragte plötzlich van Helsing ganz allgemein in den Raum.
    »Morgen früh um 6:30 Uhr.« – Welche Überraschung: Die Antwort war von Mrs. Harker gekommen.
    »Woher um alles in der Welt wissen Sie
das
denn?«, fragte Arthur.
    »Wissen Sie denn nicht, dass ich eine Eisenbahn-Fanatikerin bin? Jonathan und Dr. van Helsing ist das bekannt! Zu Hause in Exeter lerne ich immer die Fahrpläne auswendig, um meinem Mann behilflich sein zu können. Das hat sich als so nützlich erwiesen, |492| dass ich beständig irgendwelche Fahrpläne studiere, auch hier. Ich wusste, dass wir, sollten wir zur Burg Dracula wollen, über Galatz oder wenigstens über Bukarest reisen müssten, und so habe ich mir diese Zeiten sorgfältig eingeprägt. Unglücklicherweise gab es aber nicht besonders viel zu lernen, denn der einzige Zug, der morgen fährt, ist der gerade genannte.«
    »Prächtige Frau!«, murmelte der Professor.
    »Können wir denn keinen Privatzug mieten?«, fragte Lord Godalming. Van Helsing schüttelte den Kopf: »Ich fürchte, das geht nicht. Dieses Land ist sehr anders als Ihres oder meines. Selbst wenn Sie einen Sonderzug bekämen, würde er vermutlich später ankommen

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