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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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hatte. Mit einer Stimme, die, obgleich leise und fast geflüstert, dennoch die Luft zu durchschneiden und an den Wänden widerzuhallen schien, sagte er:
    »Wie könnt ihr es wagen, ihn anzurühren? Wie könnt ihr es wagen, eure Augen auf ihn zu werfen, wo ich es verboten habe? Zurück, sage ich euch! Dieser Mann gehört mir! Wehe, ihr mischt euch noch einmal ein, dann bekommt ihr es mit mir zu tun!« Das schöne Mädchen wandte sich mit einem derben, koketten Lachen zu ihm:
    »Du selbst hast doch nie geliebt, und du wirst nie lieben!« Sogleich stimmten die beiden anderen Frauen in ihr Lachen ein, und es erschallte ein so trauriges, hartes, seelenloses Lachen, dass mir fast die Sinne schwanden – es klang wie das Lachen von Teufeln. Der Graf aber sah mich aufmerksam an, dann drehte er sich um und flüsterte ihnen zu:
    »Doch, auch ich kann lieben, ihr selbst solltet euch noch daran erinnern können, nicht wahr? Nun, ich verspreche euch, wenn ich mit ihm fertig bin, könnt ihr mit ihm machen, was ihr wollt. Jetzt aber geht, fort mit euch! Ich muss ihn aufwecken, es gibt viel zu tun!«
    »Sollen wir denn heute Nacht gar nichts bekommen?«, entgegnete eine von ihnen mit einem dunklen Lachen, während sie auf ein Bündel wies, das der Graf auf den Boden geworfen hatte und das sich bewegte, als enthielte es etwas Lebendiges. Statt einer |61| Antwort nickte er nur. Eine der Frauen sprang auf das Bündel zu und öffnete es. Wenn meine Ohren mich nicht täuschten, so vernahm ich das Keuchen und leise Wimmern eines halb erstickten Kindes. Die anderen beiden Frauen drängten hinzu, während ich vor Entsetzen erstarrte. Als ich im nächsten Moment jedoch wieder zu ihnen herübersah, waren sie mitsamt dem fürchterlichen Bündel verschwunden. Es befand sich keine Tür in ihrer Nähe, und an mir konnten sie nicht vorbeigekommen sein, ohne dass ich es bemerkt hätte – sie schienen einfach in den Strahlen des Mondes zerflossen und durch das Fenster entwichen zu sein, denn ich konnte außen noch einen kurzen Augenblick ihre unbestimmten, schattenhaften Umrisse erkennen, bevor diese sich vollkommen auflösten.
    Dann überwältigte mich das Grauen, und ich verlor das Bewusstsein.

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    |62| VIERTES KAPITEL
     
    Jonathan Harkers Tagebuch
    (Fortsetzung)
     
    Ich erwachte in meinem eigenen Bett. Wenn ich das nicht alles nur geträumt habe, so muss mich der Graf hierhergetragen haben. Ich versuchte, mir über diese Frage klar zu werden, konnte aber zu keinem zweifelsfreien Ergebnis kommen. Immerhin gab es einige kleine Anzeichen, zum Beispiel waren meine Kleider in einer Weise gefaltet und neben mein Bett gelegt, die nicht meiner eigenen Ordnung entsprach. Meine Uhr war ebenfalls nicht aufgezogen, wo es doch sonst eine von mir stets geübte Gewohnheit ist, dies zu tun, bevor ich zu Bett gehe. Noch zwei, drei weitere derartige Details gab es, aber all diese Dinge sind ja noch keine vollgültigen Beweise, denn sie könnten ebenso gut bestätigen, dass einfach mein Verstand nicht mehr in seiner normalen Verfassung ist, wofür ja hinreichend Gründe vorhanden wären. Ich muss nach
Beweisen
suchen. Über eines jedoch bin ich froh: Wenn es wirklich der Graf war, der mich hierherbrachte, so musste es in sehr großer Eile geschehen sein, denn meine Taschen waren unberührt. Ich bin sicher, dass er von meinem Tagebuch keine Ahnung hat, denn er hätte es nicht geduldet, sondern es mir bei dieser günstigen Gelegenheit entwendet und vernichtet. Wenn ich mich in diesem Zimmer umsehe, das für mich bisher so voll von Schrecken war, so ist es mir jetzt doch eine Art Asyl, denn es kann nichts Entsetzlicheres geben als jene drei unheimlichen Frauen, die darauf warteten – und noch immer
warten
– mir das Blut auszusaugen.
     
    |63| 18. Mai
    Ich war noch einmal unten, um mir das besagte Zimmer bei Tageslicht anzusehen, denn schließlich
muss
ich der Wahrheit auf den Grund kommen! Als ich die Tür am Ende der Treppe jedoch probierte, war sie verschlossen. Der Riegel war zwar nicht vorgeschoben, aber irgendetwas machte das Öffnen von innen her unmöglich. Ich drückte so heftig dagegen, dass Holz wegsplitterte. Nun fürchte ich doch, dass es kein Traum war, und ich werde auf der Grundlage dieser Mutmaßung handeln.
     
    19. Mai
    Ich bin in der Falle. Letzte Nacht bat mich der Graf in der höflichsten Weise, ich möge drei Briefe schreiben; einen, dass meine Arbeit hier nahezu getan wäre und ich in wenigen Tagen die Heimreise antreten werde, den

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