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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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warfen sie keinen Schatten. Sie näherten sich, betrachteten mich eine Weile und flüsterten dann miteinander. Zwei von ihnen waren dunkelhaarig und hatten ausgeprägte Gesichtszüge, die entfernt an den Grafen erinnerten, sowie große und durchdringende Augen, die im fahlen Mondlicht beinahe rot aussahen. Die Dritte war wunderschön, so schön, wie man es sich nur vorstellen kann, mit dichten, goldenen Locken und Augen wie hellen Saphiren. Ich meinte, ihr Gesicht schon einmal gesehen zu haben, und zwar in einem Albtraum, aber es wollte mir nicht einfallen, wann und in welchem Zusammenhang dies gewesen sein mochte. Alle drei hatten blendend weiße Zähne, die wie Perlen zwischen dem Rubinrot ihrer sinnlichen Lippen hervorglänzten. Bei alldem hatten sie etwas an sich, das mir Unbehagen verursachte; es zog mich zu ihnen hin, und dennoch fürchtete ich mich. Mein Herz überkam ein verwerfliches aber brennendes Verlangen, von ihren roten Lippen geküsst zu werden … Nur ungern schreibe ich dies hier nieder, da Mina diese Zeilen vielleicht einmal lesen und Schmerz darüber empfinden könnte, aber es ist die Wahrheit. Die drei flüsterten miteinander, und dann lachten sie ein silbernes, klangvolles Lachen, das aber so hart war, dass man unmöglich glauben konnte, diese metallischen Klänge kämen von zarten menschlichen Lippen. Es war wie das unerträgliche, schrille Sirren, das Wassergläser hervorbringen, wenn man ihren Rand reibt. Das schöne Mädchen schüttelte kokett ihre Locken, und die beiden anderen drängten sie an mich heran. Eine der Dunklen sagte:
    »Nun los, du bist die Erste, wir schließen uns dann an. Du hast das Recht anzufangen!« Die andere fügte hinzu:
    |59| »Er ist jung und stark, das gibt Küsse für uns alle.« Ich lag still und blinzelte nur unter meinen Lidern hervor, halb in Todesangst, halb in verzückter Erwartung. Das schöne Mädchen kam zu mir heran und beugte sich über mich, bis ich ihren Atem fühlte. Er war süß, honigsüß, und jagte mir dieselben Schauer durch die Adern wie ihr Lachen. Aber dennoch war da zugleich etwas anderes, Bitteres, leicht Abstoßendes, was mich anwehte und mich an den Geruch von Blut erinnerte.
    Ich fürchtete mich, die Augen zu öffnen, konnte aber durch die halb geschlossenen Lider sehr gut sehen. Das schöne Mädchen ging vor mir auf die Knie und beugte sich mit schelmischer Häme über mich. Ihre vorsätzliche Wollust war anziehend und abstoßend zugleich, als sie ihren Nacken beugte, leckte sie sich ihre Lippen wie ein Tier, sodass ich im Licht des Mondes die Feuchtigkeit auf ihrem roten Mund, ihrer Zunge und ihren weißen Zähnen erglänzen sah. Immer tiefer beugte sie sich herab, streifte meinen Mund und mein Kinn, um sich meinem Hals zu nähern, an dem ich gleich darauf ihren heißen Atem verspürte. Dann hielt sie inne, und ich konnte buchstäblich hören, wie ihre Zunge über ihre Lippen und ihre Zähne strich. Ich spürte, dass ich eine Gänsehaut bekam, ganz wie es passiert, wenn eine Hand, die einen kitzeln will, näher kommt, und immer näher … Dann fühlte ich die zarte, zitternde Berührung ihrer weichen Lippen auf der überempfindlichen Haut meiner Kehle, worauf mich die harten Spitzen zweier scharfer Eckzähne leicht berührten, um auf meiner Haut zu verharren. Ich schloss die Augen in schlaffer Verzückung und wartete – wartete mit klopfendem Herzen.
    Auf einmal durchfuhr mich blitzartig eine ganz andere Empfindung: Ich spürte die Nähe des Grafen, und ich wusste zugleich, dass er vor Wut raste. Unwillkürlich öffnete ich die Augen und erblickte tatsächlich seine Hand, die den schlanken Nacken der Schönen gepackt hatte und sie mit Riesenkräften von mir wegriss. Ihre blauen Augen sprühten wütende Funken, ihre weißen Zähne knirschten, und ihre Wangen glühten vor Leidenschaft. |60| Aber erst der Graf! Nie zuvor hätte ich mir einen solchen Furor vorstellen können, er war der reinste Höllendämon! Aus seinen Augen schossen Flammen, die so rot waren, als ob die Glut des Höllenfeuers hinter ihnen loderte. Sein Gesicht hingegen war totenbleich, seine Züge hart wie Stahl. Die dicken Augenbrauen, die sich über der Nase trafen, wirkten wie ein Block aus weißglühendem Metall. Mit einer fürchterlichen Armbewegung schleuderte er das Mädchen von sich und fuhr zu den anderen beiden herum mit Gesten, als ob er sie zurücktreiben wollte. Es waren dieselben gebieterischen Armbewegungen, wie er sie den Wölfen gegenüber angewandt

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