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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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und Umschlag an die Flamme der Lampe, bis diese das Papier vollständig verzehrt hatte. Dann fuhr er fort:
    »Den Brief an Hawkins werde ich natürlich, da er ja von Ihnen ist, wegschicken. Ihre Briefe sind mir heilig. Sie verzeihen, mein Freund, dass ich versehentlich das Siegel erbrach. Wollen Sie den |66| Brief nicht wieder verschließen?« Er reichte mir den Brief und übergab mir mit eleganter Handbewegung ein neues Kuvert. Ich konnte nichts tun, als das Schreiben erneut zu adressieren und ihm schweigend auszuhändigen. Als er aus dem Zimmer trat, hörte ich ihn den Schlüssel leise von außen umdrehen. Eine Minute später ging ich zur Tür und fand sie wirklich verschlossen.
    Als nach ein oder zwei Stunden der Graf wieder still das Zimmer betrat, weckte mich sein Kommen auf, denn ich war auf dem Sofa eingeschlafen. Er war, wie gewöhnlich, sehr höflich und liebenswürdig, und als er bemerkte, dass ich geschlafen hatte, sagte er:
    »Soso, mein Freund, Sie sind müde? Gehen Sie zu Bett, da finden Sie die sicherste Ruhe. Ich muss mir leider heute Abend das Vergnügen versagen, mit Ihnen zu plaudern, denn ich habe sehr viel zu tun. Sie aber müssen schlafen, glauben Sie mir!« Ich begab mich in mein Zimmer, legte mich nieder und schlief seltsamerweise traumlos. Verzweiflung kennt wohl eine eigene Art der Ruhe.
     
    31. Mai
    Heute Morgen nach dem Erwachen hatte ich mir vorgenommen, etwas Papier und einige Umschläge aus meiner Reisetasche zu nehmen und sie in meinen Kleidern zu verwahren, auf dass ich, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten, einige Briefe schreiben könnte, aber welch böse Überraschung, welcher Schlag traf mich da!
    Das letzte Stückchen Papier war verschwunden, und damit auch alle meine Notizen, meine Aufzeichnungen über Zugverbindungen und Reiserouten, mein Kreditbrief – einfach alles, was ich dringend brauchte, wenn es mir wirklich gelingen sollte zu entkommen. Ich saß und grübelte eine Weile, dann überfiel mich eine weitere böse Ahnung, und ich sah zuerst nach meinem Handkoffer, um danach zur Garderobe zu stürzen, wo ich meine |67| Kleider verstaut hatte: Mein Reiseanzug ist weg, ebenso mein Überzieher und meine Decke, alles ist spurlos verschwunden. Das sieht zweifelsfrei nach einer neuen Perfidie des Grafen aus.
     
    17. Juni
    Diesen Morgen, als ich auf dem Rand meines Bettes saß und mein Gehirn zermarterte, hörte ich von draußen auf dem felsigen Weg, der zum Burghof führt, Peitschengeknall und das Stampfen und Scharren von Pferdehufen. Voll freudiger Erwartung eilte ich zum Fenster und sah zwei große Leiterwagen hereinfahren, jeweils gezogen von acht schweren Pferden, und vor jedem Wagen einen Slowaken mit mächtigem Hut, breitem, messingbeschlagenem Gürtel, schmutzigem Schaffell und hohen Stiefeln. Ihre langen Stäbe trugen sie in der Hand. Ich rannte zur Tür, um hinunterzustürzen und durch den Haupteingang zu ihnen zu flüchten, da das Tor für sie ja geöffnet sein musste, aber welch eine neue Enttäuschung! Nun war sogar meine Tür von außen verschlossen.
    So rannte ich zurück ans Fenster und rief sie an. Sie blickten verständnislos zu mir herauf und gestikulierten, doch da kam schon der Hetman 2 der Szigany herbei, und als er sah, dass die Slowaken auf mein Fenster wiesen, sagte er etwas, und alle lachten . Von da ab konnte keine Bemühung meinerseits, kein verzweifeltes Schreien, kein todesbanges Flehen auch nur einen von ihnen veranlassen, den Kopf nach mir zu drehen – sie wandten sich sogar ganz bewusst von mir ab. Die Leiterwagen enthielten große, viereckige Kisten mit Handgriffen aus dickem Strick. Nach der Leichtigkeit zu schließen, mit der die Slowaken mit ihnen hantierten, sowie dem hohlen Gepolter, das dabei zu hören war, waren die Kisten offenbar leer. Als sie alle abgeladen und in einem großen Stapel in einer Ecke des Hofes zusammengestellt waren, erhielten die Slowaken von dem Szigany Geld; sie spuckten |68| darauf, damit es ihnen Glück bringen möge, und begaben sich dann träge zu ihren Pferden. Bald darauf hörte ich, wie das Klatschen ihrer Peitschen allmählich in der Ferne verhallte.
     
    24. Juni, noch vor Tagesanbruch
    Letzte Nacht verließ mich der Graf zeitig und schloss sich in seinem eigenen Zimmer ein. Sobald ich es wagen konnte, sprang ich die Wendeltreppe hinauf und spähte aus dem Fenster nach Süden. Ich wollte nach dem Grafen Ausschau halten, denn es ist etwas im Gange. Die Szigany sind in der Burg untergebracht und verrichten

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