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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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als dreihundert Jahre alt. Auch Ketten und Schmucksachen lagen dabei, einige mit Juwelen besetzt, aber alles alt und fleckig.
    In einer Ecke des Zimmers war eine schwere Tür. Ich versuchte sie zu öffnen, denn da ich die Schlüssel zum Zimmer oder zum Außentor nicht finden konnte, was ja das eigentliche Ziel meines |73| Unternehmens war, musste ich weitere Erkundungen vornehmen, wenn nicht alle meine Mühe umsonst gewesen sein sollte. Die Tür war unverschlossen und führte über einen steinernen Gang zu einer steil in die Tiefe abfallenden Wendeltreppe. Ich stieg hinab, indem ich mich vorsichtig vorantastete, denn die Stufen waren dunkel und nur gelegentlich durch kleine Schießscharten im dicken Mauerwerk erhellt. Unten gelangte ich in einen finsteren, tunnelartigen Durchgang, aus dem mir ein widerlicher Geruch nach Tod entgegenschlug, der Geruch uralter, aber frisch aufgegrabener Erde. Je weiter ich in diesen Durchgang vordrang, desto intensiver wurde der Geruch. Schließlich zog ich ein schweres altes Tor auf, das ebenfalls unverschlossen war, und fand mich in einer verfallenen Kapelle wieder, die offenbar als Begräbnisplatz gedient hatte. Das Dach war eingestürzt, und an verschiedenen Stellen führten Stufen in unterirdische Gewölbe. Der Boden der Kapelle war jedoch erst kürzlich aufgegraben worden, wobei man die Erde in mächtige Holzkisten geschaufelt hatte, offenbar in jene, welche die Slowaken gebracht hatten. Da diese also herein- und auch wieder hinausgekommen sein mussten, forschte ich nach einem zweiten Ausgang, jedoch vergeblich. Jeden Zoll des Bodens untersuchte ich, um keine Möglichkeit zu übersehen, ich stieg trotz meines Grauens sogar in die Gewölbe hinab, in denen ein finsteres Dämmerlicht herrschte. In zweien fand ich nichts weiter als Bruchstücke alter Särge unter jahrhundertealtem Staub. Im dritten Gewölbe jedoch machte ich eine Entdeckung:
    Hier, in einer der großen Kisten, von denen etwa fünfzig herumstehen mochten, lag, auf einer Schicht frisch ausgehobener Erde – der Graf! Er war entweder tot, oder er schlief, ich konnte es nicht genau erkennen. Seine Augen waren geöffnet und starr, aber ohne das glasige Aussehen des Todes zu haben. Die Wangen hatten trotz ihrer Leichenblässe den Schimmer des Lebens, und die Lippen waren rot wie immer. Andererseits war jedoch keine Bewegung an ihm wahrzunehmen, kein Puls, kein Atemzug, |74| kein Herzschlag. Ich beugte mich über ihn und versuchte, ein Lebenszeichen zu entdecken, aber vergeblich. Er konnte noch nicht lange dort gelegen haben, denn der Geruch der aufgegrabenen Erde wäre nach wenigen Stunden verflogen gewesen. Neben der Kiste stand der Deckel, in den mehrere Löcher gebohrt waren. In der Hoffnung, hier die Schlüssel zu finden, wollte ich den Körper durchsuchen, als mein Blick plötzlich auf seine starren Augen fiel und ich in ihnen – so reglos und unwissend über meine Gegenwart sie auch sein mussten – einen solch bedrohlichen Hass sah, dass ich voll Grauen davonstürzte. Ich erreichte das Zimmer des Grafen, verließ dieses durch das offene Fenster und kletterte an der Burgmauer zurück in meine eigenen Räume. Hier angekommen, warf ich mich aufs Bett und versuchte nachzudenken …
     
    29. Juni
    Heute ist das Datum des letzten meiner unter Zwang verfassten Briefe, und der Graf hat Vorkehrungen getroffen, ihre Echtheit zu bestätigen, denn ich sah ihn in meinen Kleidern die Burg auf dem bekannten Weg durch das Fenster verlassen. Als er wie eine Eidechse die Mauer hinabstieg, wünschte ich mir ein Gewehr oder eine andere tödliche Waffe, um ihn vernichten zu können; aber ich fürchte, eine Waffe in menschlichen Händen wird nicht imstande sein, ihm irgendetwas anzuhaben. Ich wollte nicht am Fenster auf seine Rückkehr warten, denn ich fürchtete mich, die Unheilsschwestern 3 wiederzusehen. Also ging ich in die Bibliothek zurück und las, bis ich einschlief.
    Ich wurde durch den Grafen geweckt, der mich mit dem größten vorstellbaren Grimm ansah und mir eröffnete:
    »Morgen, mein Freund, müssen wir uns trennen. Sie kehren in Ihr schönes England zurück, mich aber erwartet eine Aufgabe, |75| die so ausgehen kann, dass wir uns vielleicht nie wieder begegnen. Ihr letzter Brief ist aufgegeben worden; morgen werde ich nicht hier sein, aber alles ist für Ihre Reise vorbereitet. Früh kommen Szigany, die noch einige Arbeiten zu erledigen haben, und auch einige Slowaken sind zu erwarten. Wenn alle fort sind, wird meine

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