Dracula - Stoker, B: Dracula
als Aufguss oder in ähnlich unappetitlicher Form genommen, dass Sie Ihr kleines Näschen rümpfen müssten. Muss ich Sie denn erst an meinen Freund Arthur erinnern, und wie sehr ihn bedrücken würde, das Gesicht, das er so lieb hat, so verzerrt zu sehen? Aha, meine kleine Miss,
dieser
Gedanke lässt das reizende Näschen sofort wieder gerade werden! Die Blumen sind jedenfalls eine Medizin, auch wenn Sie sich nicht vorstellen können, wie sie wirken. Ich werde Ihnen die Blüten in Ihr Fenster legen. Zudem werde ich einen hübschen Kranz binden, den wir um Ihren Hals hängen, damit Sie in Ruhe schlafen können. |193| Oh ja, wie die Lotusblüten lassen uns auch diese hier allen Kummer vergessen. Sie duften wie die Wasser der Lethe 3 und des Jungbrunnens, nach dem die Konquistadoren in Florida gesucht und den sie zu spät gefunden haben.«
Während er sprach, hatte Lucy die Blumen in die Hand genommen und daran gerochen. Dann warf sie sie weg und rief, halb belustigt, halb voll Ekel:
»Aber, Herr Professor, ich glaube Sie wollen sich einen Scherz mit mir machen. Diese Blüten sind ja gemeiner Knoblauch!«
Zu meiner höchsten Überraschung stand van Helsing auf und sagte mit eiserner Miene, die buschigen Augenbrauen zusammengezogen, im tiefsten Ernst:
»Keine Widerrede, ich scherze niemals! Es ist bitterer Ernst in allem, was ich tue, und ich warne Sie davor, sich mir zu widersetzen. Nehmen Sie sich in acht, wenn schon nicht um Ihret-, so wenigstens um anderer Leute willen!« Als er bemerkte, dass die kranke Lucy einen großen Schreck bekam, fügte er sanfter hinzu: »Mein kleines Fräulein, fürchten Sie sich nicht vor mir, ich will doch nur Ihr Bestes! Es liegt in diesen gewöhnlichen Blüten nämlich eine besondere Kraft, die für Sie nur von Vorteil sein kann. Ich werde sie höchstpersönlich in Ihrem Zimmer aufstellen, und ich binde Ihnen auch den Kranz, den Sie tragen sollen. Aber still! Sprechen Sie mit niemand anderem darüber, und wenn er auch noch so dringend fragen sollte. Sie müssen gehorchen, und Stillschweigen ist ein Teil dieses Gehorsams. Der Gehorsam wird Sie gesund und kräftig wieder in die Arme Ihres Bräutigams zurückführen, der auf Sie wartet. Sitzen Sie einen Augenblick still. Kommen Sie, Freund John, und helfen Sie mir, das Zimmer mit diesen Knoblauchblüten zu verzieren, die auf direktem Weg aus Haarlem kommen, wo sie mein Freund Vanderpool das ganze Jahr über in Glashäusern zieht. Ich musste |194| gestern noch extra danach telegrafieren, da sie ja heute da sein sollten.«
Wir gingen in ihr Zimmer hinauf und nahmen die Blüten mit. Das Verfahren des Professors war äußerst eigentümlich und mit Sicherheit in keiner der mir bekannten Arzneimittellehren verzeichnet. Zuerst schloss er die Fenster und verriegelte sie sorgfältig. Dann nahm er eine Handvoll Knoblauchblüten und rieb damit die Fensterrahmen ein, als sollte jeder Luftzug, der dennoch hereinkäme, mit dem Duft der Blüten getränkt sein. Weiter ging es mit den drei Balken des Türrahmens und schließlich mit dem Kamin, den er weiträumig abrieb. Das alles schien mir so grotesk, dass ich sagte:
»Herr Professor, ich weiß ja, dass Sie für alles, was Sie tun, einen Grund haben, aber das, was Sie jetzt tun, ist mir wirklich ein Rätsel. Es ist gut, dass wir keinen Spötter hier haben – er würde sagen, Sie trieben Zauberei, um irgendeinen bösen Geist fernzuhalten!«
»Vielleicht mache ich genau das«, antwortete er gelassen und begann den Kranz zu flechten, den Lucy um ihren Hals legen sollte.
Wir warteten noch, bis Lucy ihre Nachttoilette vollendet hatte. Als sie im Bett lag, ging van Helsing zu ihr und legte ihr selbst den Kranz um den Hals. Das Letzte, was er zu ihr sagte, war:
»Geben Sie acht, dass Sie ihn nicht verschieben! Und selbst wenn Ihnen die Luft im Zimmer drückend vorkommen sollte, öffnen Sie heute Nacht weder Fenster noch Tür!«
»Ich verspreche es Ihnen«, sagte Lucy, »und ich danke Ihnen beiden für all Ihre Güte. Oh Gott, wie habe ich nur solch edle Freunde verdient?«
Als wir das Haus in meinem Einspänner, der gewartet hatte, verließen, sagte van Helsing zu mir:
»Heute Nacht kann ich in Frieden schlafen. Ich brauche dringend Ruhe – zwei Nächte unterwegs, am Tag dazwischen ausgiebige Lektüre, am folgenden Tag furchtbare Sorgen und zuletzt |195| eine Nachtwache gänzlich ohne Schlaf. Morgen in aller Frühe holen Sie mich ab, und wir besuchen miteinander unser liebes Fräulein, dem meine
Weitere Kostenlose Bücher