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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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halten?
    Übrigens hatte ich in meinen fachmännischen Ausführungen einen Seitenhieb gegen die in letzter Zeit überhand nehmenden Verunzierungen ausgeführt, welche dem weiblichen Geschlechtsorgan durch die Verankerung von Modeschmuck angetan wurde. Diese an archaische Sitten prähistorischer Urstämme erinnernde Verhäßlichungen beanstandete ich mit naheliegenden medizinischen Argumenten, schmeichelte den Leserinnen aber auch mit der Behauptung, daß der unbeschreibliche Reiz, den die Natur ihrem Mittelpunkt verlieh, durch menschliche Hinzufügungen nicht gesteigert, nur abgeschwächt werden könne.
    Auch in Hinblick auf die von mir favorisierte Schmucklosigkeit erfüllte die Fürstin alle Ansprüche. Tatsächlich konnte, was ich im ersten Moment vor mir sah, den Arzt wie den Mann nur erfreuen. Eine wie in Elfenbein ausgeführte Leibesmitte von jugendlicher Biegsamkeit und Eleganz und ein wie mit feinem Pinsel gestrichelte Haarlinie ließen keinerlei Wünsche offen und bestätigten den Eindruck, daß Eleonore von Schwarzenberg die Zierde ihres Geschlechts wie ihrer Generation war.
    Die Gebieterin zögerte eine Weile, während derer ich Gelegenheit hatte, ihr liebliches, immer noch geschlossenes Geschlecht zu betrachten. Ich spürte, wie ihre Knie auf den Armen des Frauensessels bebten. Dann schaute ich ihr ins Gesicht, legt eine Frage in meinen Blick, und die Fürstin gab aus verdunkelnden Augen diese Frage an die Comtesse du Moulin weiter, die neben dem Sesselgestell stand und ihrer Gebieterin die Hand hielt. Als die Kleine nickte, begann Eleonore, ihre Beine zu spreizen, zögerte aber nach wenigen Zentimetern und schaute mich an wie eine Schülerin den Lehrer, der gerade ihren Aufsatz liest.
    Ich nickte ihr zu und schloß dabei kurz die Augen, um sie zu ermutigen. Sie faßte wieder Zutrauen, und so traten, als die Gebenedeite weiter die Beine spreizte, jene so oft von Fachliteratur und Volksglaube besprochenen beiden Zahnreihen aus dem Dunkel hervor. Was zunächst belanglos und unverständlich wirken mochte, eröffnete im nächsten Moment einen Abgrund des Schreckens, wie er mich noch nie durchfahren hatte. Was war ein Haifischrachen gegen die Öffnung, die sich mir dartat! Erinnerungen an den Film Der weiße Hai wurden wach, den ich einst in Frankreich unter dem Titel Les dents de la mer gesehen hatte. Das Gebiß, das in dieser Kammer bleckte, schien mich für meine lebenslange Angst vor Löchern zu verhöhnen. Es war ein Ungeheuer, das nach mir schnappte, und obwohl ich die Herrscherin nicht beleidigen wollte und mir vorgenommen hatte, mich zusammenzureißen, taumelte ich zurück und wäre beinah in einen Winkel des Zimmers gestürzt. Der Blick der Comtesse rief mich zur Pflicht zurück, und ich setzte mich erneut dem Löwenmaul aus.              
    Während ich mich fühlte, als würde ich den Kopf in den Rachen eines Ungeheuers stecken, etwa wie jenes, mit dem der junge Siegfried im Nibelungenlied ficht, versuchte ich zugleich, das Phänomen rein wissenschaftlich zu betrachten. Carl Gustav Carus beschreibt in seinem Lehrbuch der Gynäkologie von 1820 die Erscheinung, welche schon seit der Antike bekannt und bei Aristoteles, Plinius und Cicero unter der Bezeichnung Vagina Dentata erwähnt ist, in erschreckender Ausführlichkeit. Man merkt dem Universalgelehrten an, daß ihm das Blut erstarrte, als er das Phänomen zum ersten Mal vor sich sah.
    Die größte Angst des Menschen ist, verschlungen zu werden. Das schlimme an dieser Angst ist: sie ist Gewißheit. Früher oder später wird jeder in ein tiefes Loch hinabfahren. Wenn er dieses nun schon vor der Zeit, zahnbewehrt, vor sich sieht, springt in ihm der Schrecken vor jener letzten Stunde an, den er sein Leben lang in Schach gehalten und doch immer gefühlt hat. In dem Moment, als die Fürstin die Beine spreizte, fühlte ich alle Ängste aus der Kindheit in Maria Elend wieder, das Grauen der Jahre im Bett schnellte zu einen einzigen Moment zusammen. Die zahnreiche Schlucht, in die ich starrte, schien mich zu verhöhnen, aber dann dachte ich wieder an die Frau, die nichts dafür konnte, und die auf dem Rücken lag, an die Decke starrte und sich in diesem Moment womöglich für die Bestürzung schämte, die sie verursachte.
    »Erschrecken Sie nicht, Fürstin«, sagte ich, der Erschrockene. »Ich muß nun einige Examinationen ausführen. Es wird nicht wehtun.«
    Ich unterzog die Herrscherin der regulären Untersuchung; so weit war alles bei ihr in

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