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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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bevor ich erkannte, daß es Eleonore war. Haltung und Ausdruck entsprachen einer Herrscherin, aber ich, der sie kannte, sah das Leiden und die Melancholie verborgen in ihren Zügen. Übrigens gefiel mir das Kunstwerk. Der Mann konnte malen. Es erfüllte mich mit Genugtuung festzustellen, daß der Künstler sich an Winterhalter und Singer Sargent orientierte, statt Modekleckser nachzuäffen. Ich trat zwei Schritte zurück, um das Abbild meiner Herrin auf mich wirken zu lassen. Kein Zweifel: Eleonore war eine herrliche Frau, und jeder Mann, den sie liebte, konnte sich glücklich schätzen.
    In diesem Moment wurde mir bewußt, das es um mich geschehen, daß ich schon seit gestern verloren war, seit dem Moment, in dem ich sie zum ersten Mal sah, auch wenn ich es mir nicht gleich eingestanden hatte. Auf einmal verstand ich all die Männer, die sich auf dieses Abenteuer einließen, die ihre Gesundheit, ihr Leben riskierten, um jene tiefste, innigste Verbindung herzustellen, die ein Mann zu einer Frau herstellen kann, und die alle die Temeschburg auf einer Bahre verlassen hatten, abgeschnitten von einem wertvollen Teil ihres Lebens.
    Ich konnte als Arzt nur Erfolg haben, wenn ich mich nicht länger hinter der Maske des Mediziners verbarg. Ich mußte mich einbringen mit allem was ich hatte, wenn ich diese arme Frau von ihren Leiden erlösen wollte. Ich wollte es wagen; dies sollte der Höhepunkt meines Wirkens als Frauenarzt sein, selbst wenn es das Ende meiner Laufbahn bedeutete. Und plötzlich war das Licht milde, in dem Sardonius Spork und der Rumänische Drachenorden mir erschienen. Waren sie es nicht, die von mir verlangten, das Äußerste zu wagen? Ich erfüllte also nur meine Pflicht als Mitglied des Ordens, wenn ich mich voll und ganz auf diese Aufgabe warf und mich selbst dabei nicht schonte.
    In mir knisterte eine Gewißheit, als ich Uruquates durch einen gotischen Gang in den hohen Saal folgte, in dem mir das Frühstück angerichtet war, das heute aus Wildpret bestand und sich von dem gestrigen ebenso unterschied wie die Räumlichkeit, in der ich es einnahm, von der des Vortages. Wieder hatte ich niemanden, der mir beim essen Gesellschaft leistete, aber das machte nichts, denn meine Entscheidung und die ebenso freudige wie angsterfüllte Erregung im Hinblick auf die Dinge, die da kommen sollten, waren mir Gesellschaft genug. Ich schlang das Wild herunter, spülte mit Rotwein und Champagner nach, und mit übereinandergeschlagenen Beinen genoß ich den Kaffee. Eleonore von Schwarzenberg war nicht nur als Patientin, sondern auch als Frau die größte Herausforderung meines Lebens, das begriff ich jetzt, und ich ehrte in Gedanken den Rumänischen Drachenorden und seinem Abgesandten Sardonius Spork, daß sie mich hierher geschickt hatten. In diesem Auftrag verbarg sich eine pädagogische Absicht, das hatte ich endlich verstanden. Sie meinten es gut mit mir.

 
     
    12
     
     
    Am liebsten hätte ich mich aus dem gotischen Saal, der wie eine Dekoration zum Faust aussah, und von dessen Decke ein aus Schwertern gebildeter Leuchter über meinem Kopf schwebte, direkt in Eleonores Arme geworfen. Ich wollte sie haben, ich wollte sie lieben, sie besitzen, und wenn ein unersetzbarer Teil von mir darüber verlorengehen sollte. Pereat mundus!
    Uruquates deutete eine Verbeugung an, als er sah, daß ich das Frühstück beendet hatte. Er trat auf einen Kasten zu, zog eine Zigarrenkiste heraus, öffnete sie und hielt sie mir unter die Nase. Ich freute mich über die Zigarre und gestattete, daß er sie mir anzündete. Als ich aber so schmauchte, erschrak ich bei dem plötzlichen Eindruck, daß das ganze Arrangement, in dem ich mich befand, etwas von Henkersmahlzeit an sich hatte. Ich hatte lange noch nicht ausgeraucht, als Uruquates noch einmal zum Kasten trat. Diesmal bog er einen Teil des Kastengestells mitsamt den Büchern und Gegenständen, die sich darin befanden, nach vorn. Es kam ein knapp mannshoher Einstieg zum Vorschein; Uruquates mußte, als er eintrat, den Kopf einziehen und ich ebenso. Ich folgte dem Bediensteten eine schneckenhausartige Stiege hinab; sie wollte gar kein Ende nehmen und schien sich fortwährend zu verengen. Die Beleuchtung war spärlich, sie wurde von einer an der Decke notdürftig angebrachten Leitung gewährleistet, an der Glühbirnen hingen, von denen nur jede dritte oder vierte brannte.
    Ich fragte mich, ob wir in ein anderes Behandlungszimmer als gestern gingen, oder ob Uruquates nur einen anderen

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