Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)
kappte.«
Die Fürstin schaute mich an. Ihr Blick war unsagbar. Dank, ja Liebe schien darin auf, daß ich nun allerdings hoffte, schnell zur Untersuchung übergehen zu können, auf daß diese Konversation keine Fortsetzung finde. Die Fürstin streckte sich aus, erhob den Blick zur Decke, reffte weiter ihr Kleid, darin von der Comtesse unterstützt, die ihr auch den fürstlichen Seidenslip über die langen Beine abstreifte. Diese, die in beigefarbenen, mit Gold abgesetzten Pumps staken, placierte die Comtesse auf die Arme des windschiefen Behandlungsstuhls. Bevor ich meine Aufmerksamkeit an die fragliche Stelle wandte, traf mich noch einmal der flehentliche Blick der Fürstin, tauchte tief in meine Augen, und ich fragte mich, ob sie mehr von mir ersehnte als die Heilung von ihren anatomischen Leiden.
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Ich wälzte mich hin und her und fürchtete, nach der einen der andere Seite aus dem Bett zu fallen. Der rötliche Schimmer von draußen spielte ins Violett, dann wieder ins Purpur, so daß man den Eindruck haben konnte, in Transsylvanien verfilmten die bekanntesten Regisseure von Hollywood gerade ein Weltuntergangsszenarium. Wenn ich die Augen schloß, moussierten die roten Farbtöne und bildeten ein sich ewig öffnendes Loch, einen endlosen Schlauch, schickten mich auf eine U-Bahn-Fahrt in eine immer roter werdende Hölle. Dann sah ich Explosionen in Gelb, Weiß und Rot. Vulkane brachen auf und schleuderten Unsägliches heraus, Greifvögel, Kraken, Getier, vor dem man sich ducken und in acht nehmen wollte, vor dem man sich aber nicht würde retten können.
Wa nn immer ich aus dem Schlaf, der wohl nur Minutenschlaf war, aufschreckte, fühlte ich einen Schwindel, als hätte ich das Geträumte tatsächlich erlebt. Mir war, wie einem ist, der von einem Karussell heruntersteigt, oder der den Flug in einer kleinen Maschine hinter sich gebracht hat und nun froh ist, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, der aber den Boden immer noch unter sich schwanken fühlt. In meinem Bett war mir, als schwanke das Lager hin und her.
Daher waren die Alpträume, die ich im Erwachen vergegenwärtigte, gar nicht schlimmer als die Erinnerungen an den vergangenen Tag, an dessen erschreckendes Ende. Die Gebieterin hatte ihre Beine geöffnet, und was ich sehen mußte, hatte mir einen Schrecken eingejagt, wie ich ihn vorher nicht kannte. Kein transsylvanischer Bauer, der in irgendeiner Schenke hinter vorgehaltener Hand von einer Draculetta raunte, übertrieb, auch wenn ihm der Anblick, dem ich ausgesetzt gewesen war, erspart blieb.
Auf den ersten Blick zeigte der aristokratische Ritz keinerlei Besonderheiten. Als die Herrin ihr Kleid hoch- und die Comtesse den Slip abzog, sah man nur eine Nabe roten Haares zwischen zwei schlanken Beinen. Tatsächlich hatte der Anblick eine gewisse Anmut und versetzte selbst mir, dem Frauenarzt, der dergleichen täglich zwei Dutzend Mal erträgt, einen angenehmen Schrecken. Ich rechnete der Fürstin hoch an, daß sie an dieser Stelle nicht etwa alles weggeschert, wie es neuester Mode entsprach, sondern eine Span in der Kupferfarbe ihres Haupthaares hatte stehen lassen. Nichts ist trauriger als die nackte Spalte, die erwachsene Frauen einem Mann heutzutage darbieten, eine barsche und aggressive Kindlichkeit vorspiegeln und zugleich Détails präsentieren, die man nicht sehen will. Wo bleibt das Geheimnis, die Scheu, die Erotik? Freilich fühlte ich mich als Arzt nicht berechtigt, meine Patientinnen ob ihrer Gilette-Gewohnheiten zu tadeln und ihnen Vorschläge zu machen, die in den Zuständigkeitsbereich des Coiffeurs fallen. Ich umging das Problem und griff es zugleich auf, indem ich einen Fachaufsatz über das Thema der allerweiblichsten Haartracht veröffentlichte, in welchem ich aus rein medizinischer Sicht zu dem Ergebnis kam, daß weder Wildwuchs noch Radikallösung anzuempfehlen seien, sondern der goldene Mittelweg die sowohl hygienische wie ästhetische Ideallösung darstelle und daher aus ärztlicher Sicht zu empfehlen sei. Ich war erfreut, als eine in jedem Friseursalon gelesene Frauenzeitschrift den Gehalt meines in einem medizinischen Fachblatt erschienen Aufsatzes sinngemäß wiedergab. Das Stichwort Bikiniline , seit den siebziger Jahren aus der Mode gekommen, wurde aufs neue zum Inbegriff intimen Chics. Es war einer der wenigen Fälle, in denen eine medizinische Abhandlung die Mode beeinflußte. Durfte ich also die Tenue der Fürstin auch mir und meinem Essay zugute
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