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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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für die darunterliegenden Schichten ebenso wie für die nachfolgenden Jahrhunderte. Ursprünglich aristokratische Insignien wie der besondere Charme der Frauen und die lässige Eleganz der Sprache sickerten in untere Schichten und fernere Zeiten ein. In Frankreich und Österreich betrifft es ganz und gar die Frauen, während in England der ursprünglich adelige Gentleman’s Code zur männlichen Nationalkultur wurde.
    Wer in Wien mit Mädchen und Frauen ausgegangen ist, der kann es auch in Paris. Sommerabende auf den Caféterrassen im Quartier Latin und in Saint-Germain-des-Prés , Rendezvous in den kleinen Restaurants an der Porte Saint-Denis, Küsse im Jardin du Luxembourg; Paris hat sich mir geöffnet wie eine feuchte Rose. Die vielen Formalitäten an der Uni erweckten am Anfang den Eindruck, Frankreich sei bürokratischer als Österreich. Obwohl dies nicht völlig von der Hand zu weisen ist, sollte ich doch bald feststellen, daß, wenn man sich in diesem Land eintaktet, einem durchaus keine Steine in den Weg gelegt werden. So weiß ich zum Beispiel nicht, wie es mir als Österreicher in Deutschland ergangen wäre.
    Schnell gewöhnt man sich daran, daß in Frankreich alle dasselbe zur selben Zeit tun. Am Anfang wundert man sich noch, bald aber würde man selbst im Traum nicht auf die Idee kommen, zum Frühstück Käse zu verlangen, zwischen drei und sieben Uhr essen gehen zu wollen, die Wochenenden und den August in der Stadt zu verbringen oder die ersten Septembertage anders zu nennen als la rentrée .
    Wer im allgemeinen Takt lebt, wird hier bald sein Ziel erreichen . So ging es mir mit Beruf und Familie. Mit Ende zwanzig war ich Ehemann, Vater und als Docteur Richard Entenschnabel Spezialist und Ansprechpartner für alles Weibliche, Allzuweibliche. Meine Ordination war nicht weit von der Uni entfernt, und die Gegend am Jardin du Luxembourg, in der ich mich niedergelassen hatte, sollte sich als weiterer Vorteil erweisen. Die Elite aus Wissenschaft, Politik und Medien wohnt hier, und oft sah ich abends prominente Frauen im Fernsehen den Mund aufmachen, die mir am Vormittag weit Wesentlicheres eröffnet hatten.
    Sardonius Spork erwies sich dabei als ausgesprochen hilfreich. Er tauchte an einem Tag im April in Paris auf, nahm mich auf allerlei Parties mit und stellte mir jene Damen aus Film und Gesellschaft vor, die ich trotz meines Erfolges als Arzt bisher noch nicht kennengelernt hatte. Bei seinem Abschied – er reise nach Hollywood zu Filmaufnahmen weiter – gab er mir zu verstehen, daß er eines Tages wiederkommen und für seine Gefälligkeiten eine Gegenleistung einfordern werde.
                 

 
    3
     
     
    Während die Jahre vergingen, sah ich gelegentlich von meiner ärztlichen Tätigkeit auf, schaute durch das Fenster meiner Ordination in den Himmel über Paris, dachte an Spork und rätselte, welcher Art die Gegenleistung sein würde, die ich erbringen müßte. Aber lange Zeit hörte ich von ihm ebensowenig wie vom Rumänischen Drachenorden, dessen nominelles Mitglied ich immer noch war, obwohl ich außer Spork nie einen anderen Konfrater dieses ebenso ehrwürdigen wie geheimen Bundes von Angesicht gesehen hatte.
    Als mir eines Tages meine Sprechstundenhilfe zuflüsterte, daß sich ein Mann im Wartezimmer befinde, dachte ich mir zunächst nichts dabei. Man sollte es nicht für möglich halten, aber es kommt immer wieder einmal ein Mann zum Frauenarzt. Meist einer, der den Verhütungsmaßnahmen seiner Frau oder Freundin nicht traut und der näheres vom Experten erfahren möchte. Dann und wann kommt auch der eine oder andere, dem die weibliche Anatomie ein Buch mit sieben Siegeln ist und dessen Kenntnis der Erotik denen eines Pfadfinders entsprechen. Mindestens ein Mal im Jahr kommt ein Hypochonder mit Phantomschmerzen in der Gebärmutter. In einem solchen Fall bleibt mir nichts anders übrig, als ihm zu versichern, daß er mit einem großen Werk schwanger sei oder ihn zu einem Kollegen aus der psychiatrischen Fachdisziplin zu überweisen.
    Als ich jedoch durch das Loch im Vorhang lugte, um mich schon einmal vorab zu informieren, um welchen Typus von verunsichertem Männchen es sich diesmal handelte, zuckte ich zusammen. Es war Sardonius Spork, und die Tatsache, daß er hier in der Ordination aufgetaucht war anstatt bei mir zu Hause, verhieß nichts Gutes. Ich sagte der Sprechstundenhilfe, sie solle den Mann sofort zu mir ins Sprechzimmer bitten und wies ihre Kollegin an, eine Flasche

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