Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)
sich vorbereitet.
»Ihr hab t mich gezielt ausgesucht.«
»Allerdings, mein Lieber, und du solltest stolz darauf sein. Obschon es unserem Orden nicht an Experten in unterschiedlichsten Disziplinen mangelt, bist du der einzige Frauenarzt. Die Fürstin, die übrigens kein nominelles Mitglied des Ordens ist, denn dieser steht nur Männern offen, brachte selbst den Wunsch zum Ausdruck, dich zu konsultieren; was im übrigen zeigt, daß dein Renommee auch ohne Beihilfe des Ordens bis nach Rumänien gedrungen ist. Sonderlich innerhalb des Hochadels genießt du, wie du weißt, einen ausgezeichneten Ruf. Es gibt keinen Mann in Europa, vor dem sich mehr Prinzessinnen und Herzoginnen entblößt haben. Du verfügst demnach über ein Herrschaftswissen, das dich einmal für einen höheren Rang innerhalb des Drachenordens qualifizieren könnte. Du, der du wie kein anderer ins Arkanum des Weiblichen eingedrungen bist, könntest auch ins Arkanum der Macht vordringen.«
Mit beiden Händen versuchte ich abwehrende Gesten und betonte, daß mir am Arkanum der Macht nicht s gelegen und ich mit meiner Ordination in Paris zufrieden sei. Spork runzelte die Stirn.
»Der Rumänische Drachenorden macht keine Angebote, die man ablehnen kann. Ich wollte es dir verschweigen, doch jetzt zwingst du mich, es doch zu erwähnen: In den höheren Rängen der Bruderschaft hat man der Eindruck, daß du ein unsicherer Kantonist sein könntest, dem es an Loyalität mit unserer Sache gebricht.«
Allzu gern hätte ich die Frage gestellt, worum es sich bei dieser Sache handele, traute mich aber nicht.
»Dieser Auftrag ist ein Ball, den man dir zuwirft; man könnte auch sagen: ein Rettungsring. Wenn du mich fragst: Du solltest ihn auffangen und deine Sache als Arzt bei der Fürstin so gut wie möglich machen. Dann stehen dir alle Wege offen. Anderenfalls…«
Spork s Gesichtsausdruck ließ allerhand Möglichkeiten offen, was anderenfalls geschehen würde; es waren keine guten.
Am nächsten Tag fand die Rally e für meine Tochter ohne mich statt. Ich machte Gebrauch von meinem Einwegbillett nach Bukarest. Später sollte sich herausstellen, daß ich keine Rückflugkarte benötigte. Eingecheckt war ich ja schon, und so konnte ich, als die goldbetreßten Flughafenordonnanzen mich durchwinkten, feststellen, wie leicht man aus seinem Leben hinausspazieren kann.
4
Während des kurzen Fluges räkelte ich mich auf dem thronartigen Fauteuil und studierte die Unterlagen, die Sardonius Spork mir in die Hand gedrückt hatte. Aus dem Wikipedia-Artikel erfuhr ich nur das Nötigste. Prinzessin Eleonore Elisabeth Amalia Magdalena von Schwarzenberg war vor noch nicht dreißig Jahren auf einem Schloß in Mittelböhmen als Tochter des Herzogs von Sagan, Ferdinand August Lobkowitz, geboren worden. Sie hatte eine Zwillingsschwester gehabt, doch eine zweideutige Formulierung in dem enzyklopädischen Eintrag ließ offen, ob diese schon im Mutterleib oder kurz nach der Geburt gestorben war. Schon mit siebzehn Jahren wurde Eleonore durch Heirat zur Erbprinzessin von Schwarzenberg, kurz darauf nach dem Tod ihres Schwiegervaters zur Fürstin von Schwarzenberg und damit Herzogin zu Krummau und Gräfin von Sulz. Sie gebar einen Jungen und ein Mädchen. Doch alles im Leben dieser Bedauernswerten schien sich zu früh zu ereignen. Ihr Gatte starb, als sie noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt war. Seitdem spricht man von ihr als der Fürstin-Witwe von Schwarzenberg. Mehr erfuhr man aus dem Artikel der Online-Enzyklopädie nicht. Doch es fanden sich noch ein paar Photokopien aus gedruckten Werken in dem Dossier, die mehr verrieten. Danach war Eleonores Mann, Fürst Schwarzenberg, bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen, bei dem ein Habsburger den tödlichen Schuß abgegeben hatte. Der Erzherzog außer Diensten war untröstlich und konnte als Entschuldigung nur vorbringen, daß er Werkzeug der Vorsehung geworden sei. Als Wiedergutmachung kam er für die Erziehung des einzigen Sohnes von Fürst und Fürstin Schwarzenberg, Joseph Adam, auf und schickte ihn nach Wien aufs Schottengymnasium. Die Tochter Maria Anna brachte er in Baden-Baden unter die Haube. Darüber hinaus zahlte er der Fürstin-Witwe aus dem Habsburger Ausgleichsfonds, den bereits Maria Theresia für solche Fälle eingerichtet hatte, eine Apanage aus, die ihr half, das Anwesen bei Timișoara zu erhalten, die Temeschburg, auf die sie sich selbst abschob, und von der Besucher wie
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