Dracyr – Das Herz der Schatten
Schulter, aber auch dieser verfehlte Schlag brannte wie Feuer. Kay schrie und in der Tiefe des Pferches antwortete das dunkle Brüllen der Dracyr. Kay hörte, wie schwere Schuppenschwänze gegen hölzerne Absperrungen donnerten. Die Pferchwächter hatten offensichtlich die Tore geschlossen, damit der Aufruhr im hinteren Teil des Pferches eingeschlossen blieb. Kay fühlte Gormydasâ Zorn in ihrem Inneren wie eine glutheiÃe Sonne. Sie schrie ihre Wut hinaus und tänzelte zurück, wich dem zweiten Schlag aus und fachte dabei die Hitze und den Zorn zu brüllender Lohe an. Mit einem verzweifelten Satz stürzte sie sich erneut auf den Dracyrlord und schlug mit beiden Fäusten auf ihn ein. Jetzt brauchte sie Dracyrfeuer, mehr als alles auf der Welt!
Lord Harrynkar lachte. Er lieà die Peitsche fallen, packte ihre Handgelenke, hielt sie mühelos fest und zwang ihr seinen Blick auf. Ihr Widerstand erlahmte im gleichen Moment. Die kalte Dunkelheit drang in ihr Inneres und löschte das Feuer, lieà ihre Kraft versiegen, entzog ihr alle Wärme und jeden eigenen Willen. Sie sah in die glühenden Augen des Dracyrmeisters und wusste, dass er sie im Netz seines Willens gefangen hatte wie eine Spinne die Fliege. Wenn er ihr nun befahl, ihr Leben auszuhauchen, dann würde es geschehen.
» Vater « , flüsterte eine Stimme, rau vor Schmerz. » Verschone sie, ich flehe dich an. «
» Warum sollte ich das tun, mein Sohn? « , erwiderte der Dracyrmeister. Er drückte seinen Willen noch ein wenig tiefer, noch ein wenig fester in Kays zuckendes Bewusstsein. Immer noch hörte sie in der Ferne Gormydas wie rasend schreien.
» Lass sie frei. Um meinetwillen « , sagte Damian. Sein Atem ging mühsam und laut. » Ich bitte dich niemals um etwas. Dies ist das erste Mal. «
» Warum bittest du für sie? Sie ist eine Rebellin. « Immer noch fixierte Lord Harrynkar sie mit seinen schrecklichen Augen. Der mörderische Druck, den sein Geist auf sie ausübte, drohte sie zu zerbrechen. Sie erkannte, wenn er ihn nur noch ein wenig verstärkte, würde sie zerquetscht wie ein fauler Apfel. Ihr Bewusstsein, ihre Persönlichkeit, ihr innerstes Wesen würden wie Fruchtfleisch und Kerne unter dem Fuà eines Dracer auseinanderspritzen und ihr Körper, nur noch eine leere Hülle ohne Verstand, zum Sterben zurückbleiben.
» Sie ist nun eine von uns « , flüsterte Damian. » Ich habe in ihr Innerstes geblickt, mein Vater. Sie plant keinen Verrat. Sie wird uns treu dienen. Karolyn Devrillan ist unverbrüchlich eine der Neun. «
Einige Atemzüge lang bewegte sich nichts. Dann begann der unerbittliche Druck von ihr zu weichen, das Dunkel zog sich schrittweise aus ihrem Geist zurück und seine Fäuste öffneten sich und lieÃen sie ebenfalls frei. Sie rang nach Luft und sank in die Knie, fiel neben Damian zu Boden. Jetzt erst begriff sie, was er gesagt hatte. Ãber sie. Sein Vater und er wussten, wer sie war, was sie hier in der Burg gewollt hatte. Und er hatte gesagt, sie sei nun eine treue Anhängerin des Teufelsâ als hätte er ihre Zweifel, all ihre geheimen Gedanken ausgesprochen und damit endgültig zur Wahrheit gemacht.
Mit einem Stöhnen, das so fremd in ihren Ohren klang, als hätte es ein anderer ausgestoÃen, schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
Kapitel 27
Sie war mit Damian allein, als die Tränen versiegten und die Welt wieder Kontur bekam. Kay setzte sich auf und wischte ihr Gesicht mit dem Ãrmel trocken. Damian sah sie unverwandt an. Ihr eigenes Leid schrumpfte zu einem Nichts, als sie sah, was der Dracyrlord seinem Sohn angetan hatte. Sein weiÃes Haar klebte vor Blut und Schmutz und er hielt seinen rechten Arm steif angewinkelt. Seine mondhellen Augen blickten trüb vor Schmerzen.
» Damian « , sagte Kay. » Wir müssen deine Wunden versorgen. « Ihre Stimme zitterte.
Er senkte die Lider und schüttelte den Kopf. » Ich muss die Ãbung anleiten « , sagte er.
Kay begriff nicht sofort, was er damit sagen wollte, dann schnappte sie nach Luft. » Das kannst du nicht « , sagte sie heftig. » Sieh dich an. Wie willst du dich auf Noctyria halten? «
Er antwortete nicht, sondern erhob sich mühsam wie ein alter Mann. » Bring mich zu ihr « , sagte er.
Kay sprang auf und stützte ihn. » Das werde ich nicht tun « , erwiderte sie. »
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