Dracyr – Das Herz der Schatten
Augen heller wurde, stärker, an lodernde Flammen und fauchenden Dracyratem erinnerte, spürte sie, wie ihr eigenes Feuer zu donnerndem Leben erwachte und drohte, sie zu verzehren. Sie keuchte seinen Namen, aber was aus ihrem Mund drang, war kein Atemhauch und kein Klang, es waren Flammen und Hitze. In weiter Ferne hörte sie ihn ihren Namen rufen, aber es war zu spät. Sie fiel in rasender Geschwindigkeit auf das Feuer zu, spürte, wie die Flammen an ihr leckten, die Hitze sie versengte und schlieÃlich das Herz des Feuers sie auffraà und verbrannte.
Kapitel 26
Feuer. Sengend und brüllend, tobend und lodernd, Hitze, die alles verbrennt, was ihr zu nahe kommt. Er sieht, wie es aus ihren Augen und ihrem Mund bricht, ihren Körper einhüllt, von ihren Händen tropft, aus ihren Haaren springt, hochauflodernd zur Höhlendecke schlägt, und er zögert keinen Wimpernschlag lang. Mit einem Ausatmen, das einem Schrei gleicht, entlässt er Noctyrias Feuer aus seinem Innersten, wo es gut verborgen und sicher gehütet schwelt, und genieÃt für einen Moment die Hitze, die die immerwährende Kälte aus seinen Knochen und seinem Fleisch vertreibt. Er schreit wieder und löst sich wie Kay in Flammen auf. Zu früh, stöhnt eine Stimme in seinem Inneren. Viel zu früh. Sie beherrscht es nicht, es beherrscht sie. Sie wird verbrennen.
Dann enden alle Gedanken und nur noch das Feuer singt. Es neigt sich, vereinigt sich mit Kays Feuer, wird zu einer einzigen brüllenden, tobenden, tanzenden, sich drehenden Feuersäule, die vom Boden bis zur Decke reicht und die Höhle mit ihrer Hitze erfüllt. Schreie erklingen in der Ferne, aber das Feuer singt unbeirrt sein Lied von Sein und Vergehen, von Licht und Hitze, von Kraft und Zorn, von Hunger und Verzehren. Die Feuersäule wiegt sich zum Klang einer unhörbaren Musik. Zischend verbrennt sie alles, was nicht aus Stein ist, und lässt die Feuchtigkeit verdampfen. Die Flammen lecken hungrig nach Nahrung, und als sie nichts finden, verschlingen sie einander. Fressen Zorn und Trauer, Angst und Erinnerungen, verschlingen Wut und Schmerzen, Lachen und Weinen, Namen und Gesichter, Körper und Berührungen, bis nichts mehr existiert als das reine, klare Feuer und die tobende, starke Hitze.
» Nein, bleibt zurück « , ruft eine Stimme. » Es darf nicht gelöscht werden. « Dunkel, wie eine Glocke. Gebieterisch. Das Dunkel nähert sich, es ist kalt und heià zugleich. Es drückt voller Macht auf das Feuer, zwingt die Säule, sich zu neigen, sich zu teilen, der Gewalt auszuweichen. Das Dunkle gebietet über Flammen und Glut. Die Feuersäule seufzt wie ein Mensch und schrumpft, wird heiÃer, aber weniger wild, tänzelt und widersetzt sich dem Druck, aber das Dunkle gebietet und das Feuer gehorcht. Mit einem Stöhnen teilt sich die Säule, nur noch eine fragile Brücke aus Flammen verbindet die beiden Hälften, wird dünner und schwächer, zerfällt in Funken und ersterbende Glut. Die beiden Feuersäulen verdichten sich und kühlen ab. Schwarz stehen Umrisse in ihrem Herzen, fest und unversehrt. Köpfe, Schultern, Arme schälen sich aus den Flammen. Das Tanzen und Lodern, das Singen und Brausen verlöschen, die Augen verlieren ihr Flammenlicht, die Hände strecken sich nacheinander aus und sinken wieder zurück, Beine stehen auf dem schwarzgebrannten, glasigen Fels, eine der beiden Gestalten sinkt langsam, langsam in die Knie und fällt vornüber, während die andere zu ihr eilt und ihren Sturz abfängt.
Endlich kauern sie auf dem Boden, halten sich umschlungen und lauschen dem schluchzenden Atem, der Feuer denkt und kalte Luft einsaugt und ausstöÃt. Mensch, nicht mehr Flamme. Das Dracyrfeuer gelöscht, gebannt, wieder zurückgedrängt an den geschützten Platz im tiefsten Inneren, im Kern. Augen öffnen sich, Blicke treffen auf Blicke, tauchen ineinander und erkennen sich. Feuer und Feuer, vereint und wieder getrennt. Keiner weià mehr zu sagen, welche Flamme zu welchem Feuer gehört. Du und ich. Ich und du. Noctyria und Kay. Damian und Gormydas. Eins.
Sie war zu benommen, um zu begreifen, was geschehen war. Menschen standen um sie herum, sie hörte ihre Stimmen. Kays Gedanken bewegten sich wie unter Wasser, träge, undeutlich. Nach und nach klärte sich ihr Blick, und sie fand sich auf dem Boden der Höhle wieder, wo sie gegen eine Wand
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