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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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heiser. Das Sprechen strengte zu sehr an, also wechselte sie auf die geistige Ebene. Lass ihn nicht los. Bleib dort vor der Tür, damit er nicht hinauskann. Ich werde …
    Sie sprach nicht weiter, sondern holte noch einmal tief Luft und ließ sich in Damians Geist sinken, wie sie es an den Dracyr geübt hatte.
    Finsternis und Kälte. Der Geruch von glühendem Metall und Blut. Das raschelnde, trockene Lachen, die boshafte Freude an Schmerz, Qual und Vernichtung. Kay schauderte. Sie stand auf einer weiten, öden Ebene unter einem schwarzen und sternlosen Himmel. Über ihr stand eine düster glimmende, blutrote Sonne, die sie wie ein Auge beobachtete.
    Kay sah sich ratlos um. Die Ebene erstreckte sich nach allen Seiten bis in die Unendlichkeit. Der Geruch nach Tod, Asche und Blut war so dick, dass sie ihn mit Händen greifen konnte, aber sie sah nichts, was ihn ausströmte. Mit einem leisen Seufzer ging sie in irgendeine Richtung los.
    Nichts änderte sich, es war, als liefe sie auf der Stelle. Aber zum Gestank gesellte sich nun das Geräusch schwärmender Fliegen. Sie ging weiter und neue Töne kamen dazu. Stöhnen. Erstickte Schreie. Das tonlose Seufzen, mit dem ein Leben ausgehaucht wurde. Am Rand ihres Blickfeldes zuckte und zappelte etwas, aber wenn sie hinsah, war dort nichts.
    Noch ein Schritt und noch einer. Auf der Ebene lag hier und da Geröll, ein Aschehaufen ragte neben ihr auf, knochenweiß blitzte etwas daraus hervor. Steine, Geröll, Asche… ein abgerissener Arm.
    Kay fuhr herum, starrte das Glied an. Es steckte in einem grünen Jackenärmel und seine Hand lag in einer flehenden Geste mit gekrümmten Fingern da. Tot und bleich. Kay würgte und wandte den Blick ab. Als sie weiterging, tauchten immer mehr menschliche Überreste auf. Alle trugen noch Fetzen von Bekleidung, Männerjacken, Frauenröcke.
    Kay musste sich zwingen weiterzugehen. Ihr war übel und sie hatte Angst. Das Fliegensummen, die gequälten Schreie, das Stöhnen wurden immer lauter. Und noch etwas kam hinzu, leise, aber so eindringlich, dass Kay es durch die Kakofonie erkennen konnte: das Weinen eines Kindes.
    Sie ging schneller, begann zu laufen. Das Weinen klang so herzzerreißend, in ihm schwang solche Einsamkeit, Verlassenheit, Angst und Trauer mit, dass es ihr Tränen in die Augen trieb. Welches Kind fand sich hier in dieser blutigen, düsteren Einöde?
    Die Leichenteile häuften sich zu Bergen und Kays Füße platschten durch tiefe Pfützen aus Blut und Tränen. Sie rannte, aber sie geriet nicht außer Atem. Das Weinen wurde lauter, deutlicher. Sie umrundete einen Leichenberg, der hoch über ihren Kopf ragte, und blieb stehen. Ein Stück vor ihr durchzog eine Mauer die Ebene, hoch wie der Himmel, nachtschwarz und fugenlos, so weit Kays Blick reichte. Sie sah sich ratlos um. Das Weinen schien von dem Mauerabschnitt zu rühren, der geradeaus vor ihr lag, also ging sie darauf zu. Nach wenigen Schritten erblickte sie einen Lichtfleck in all der grauschwarzen und blutroten Ödnis, ein goldenes und frühlingshimmelblaues Leuchten.
    Der Junge kauerte am Fuß der Mauer und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Leuchtend blondes Haar und Kleider in der Farbe des Frühlingshimmels. Kay wusste, dass seine Augen sie ebenfalls mit dieser Farbe ansehen würden, wenn er aufblickte. Sie ging schneller, kniete neben dem Kind nieder, berührte es sacht an der Schulter. » Hallo « , sagte sie sanft, um den Jungen nicht zu erschrecken. » Warum weinst du? «
    Er hob den Kopf, ließ die Hände in den Schoß fallen und sah sie mit Augen von einem strahlend hellen Blau an, die in Tränen schwammen. Er schien weder überrascht noch ängstlich zu sein, sie zu sehen. Sein Gesicht war zart und hübsch, er war vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Seine Lippen bebten und in seinen Wimpern hingen Tränen. » Sie sind dahinter und ich bin allein « , sagte er mit zitternder Stimme und legte den Kopf gegen die Mauer.
    Kay strich ihm über das seidenweiche Haar und trocknete sein Gesicht mit einem Zipfel ihres Rockes. » Wer ist hinter der Mauer? « , fragte sie.
    Â» Meine Mutter und Siâni « , erwiderte er und schluchzte. » Sie sind dort und haben mich allein gelassen. « Wieder vergrub er das Gesicht in den Händen.
    Kay umarmte ihn fest. » Soll ich dich von hier fortbringen? « , fragte sie.
    Er

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