Dracyr – Das Herz der Schatten
schüttelte stumm den Kopf und wehrte sich gegen die Umarmung. Kay lieà sich auf die Fersen zurückfallen und zog die Lippe zwischen die Zähne. Wer war dieser Junge? Was tat er hier, mitten in der trostlosen Hölle, die Damians Innerstes war? Sie legte erneut ihre Hände auf die schmalen Schultern. » Du bist nicht mehr allein « , sagte sie. » Ich bin jetzt bei dir. «
Er schüttelte wieder nur stumm den Kopf. Kay atmete tief, um ihre zuckenden Nerven zu beruhigen. Sie blickte zum Himmel, als wollte sie die Tageszeit abschätzen. Die blutrote Sonne stand immer noch an der gleichen Stelle, und als Kay hineinblickte, zog sie sich zusammen und weitete sich wieder. Kay schnappte nach Luft. Das war keine Sonne. Es war ein Auge und sie kannte es.
Tyria. Er ist zurück. Er hatte am Stamm gerüttelt und der überreife Apfel war in seinen Schoà gefallen. Paindal.
Kay beugte sich über den Jungen und hob ihn trotz seiner Gegenwehr in ihre Arme, stand auf und ging mit ihm zurück. Er strampelte und schrie seine Angst hinaus. Sie streichelte seinen Kopf, seine Schultern. » Damian « , sagte sie, denn wer sonst sollte es sein? » Damian. Schhhh. Ruhig. Ich bin es, Kay. Ich liebe dich. «
Er hörte auf, sich zu wehren, und sah sie an. Kay setzte ihn auf ihre Hüfte, er war zu groÃ, um ihn wie einen Säugling zu tragen, und erwiderte seinen Blick. Blaue Iriden, keine silbergrauen Mondscheinaugen. Blondes Haar, nicht weià wie frisch gefallener Schnee. Aber dennoch, er war es. » Damian « , sagte sie wieder.
» Ich bin nicht Damian « , antwortete der Junge trotzig. » Er ist böse. Er quält mich. «
Kay schüttelte den Kopf. » Wer bist du dann? «
» Farron « , sagte er. Seine Augenlider flatterten, sein Kopf sank auf ihre Schulter.
» Farron « , wiederholte Kay ratlos. » Wir gehen jetzt hinaus, mein Schatz. Ich bin bei dir. Ich liebe dich. «
Er antwortete nicht mehr, denn er schlief.
Kays Arme wurden schwer, ihre FüÃe schmerzten, ihre Beine waren wie Blei. Die Ebene ging endlos weiter und das Auge beobachtete sie mit einem Ausdruck voller Bosheit und Gift.
Noctyria?, rief Kay. Bin ich auf dem richtigen Weg?
Du kommst näher, antwortete die Wyvern. Sie klang beunruhigt. Ich kann ihn spüren, Paindal. Er wird versuchen, dich daran zu hindern. Er kann dich dort einsperren und Damian auch.
Kay schauderte. Für immer eingesperrt im Geist eines Wahnsinnigen. Das wäre die Hölle.
Sie ruckte das Kind auf ihrer Hüfte zurecht und schleppte sich weiter.
Sie konnte die FüÃe nicht mehr voreinander setzen. Damianâ Farronâ in ihren Armen wog wie Blei. Kay sank in die Knie und setzte den Jungen behutsam ab. Er schlief weiter und sie legte ihre Arme um ihn, damit er sich nicht fürchten musste. Eine Pause, nur ein wenig Atem und Kraft schöpfen, dann ging es weiter.
Wie lange lief sie schon durch die endlose, tödliche Ãdnis? Sie wusste es nicht. Jahre. Ein Leben lang. Kay schloss die Augen und lieà ihren Geist zur Ruhe kommen.
In der Ferne wachte Noctyria über sie. Das beruhigende Gefühl wich aber gröÃter Beklemmung, als Kay sich erneut des Auges bewusst wurde, das sie starr beobachtete. Paindal weidete sich an ihrer Hoffnungslosigkeit, ihrer Erschöpfung und Angst. Er war es, der das Auftauchen aus dieser Albtraumwelt verhinderte.
Kay richtete sich entschlossen auf und sah direkt in das Auge. Paindal, rief sie. Du wirst uns nicht festhalten können. Ich lasse es nicht zu!
Das lautlose Lachen explodierte in ihrem Geist wie ein schmerzhaftes Feuer. Kind, spottete die dunkle Glockenstimme. Kleines, greinendes Mädchen. Was willst du mir entgegensetzen? Lass ihn los, er gehört doch längst mir!
Kay stemmte die FüÃe in den aschigen Boden und richtete sich hoch auf. Sie griff nach Noctyria und durch die Wyvern hindurch nach den anderen Dracyr. Erst die Neun. Dann die Warner, die Wyvern, schlieÃlich die Kemmer. Wie viele Dracyr gehörten zur Horde? Es waren zwanzig oder mehr. Ihre gesammelte Kraft, ihre Stärke, ihr Feuer füllte Kay bis zum Bersten. Ihre Knie begannen zu zittern, aber sie blieb aufrecht stehen und hob die Hände. Fort mit dir, Teufelsdracer, rief sie stumm. Lass Damian los, er gehört dir nicht. Und mit einem Zögern setzte sie fest hinzu: Er gehört mir â für jetzt und alle Ewigkeit!
Paindal lachte. Er lachte
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