Dracyr – Das Herz der Schatten
schnellen Schrittes durch den Pferch auf die Hauptschleuse zu, in Gedanken bei ihrem Treffen mit Branwen, das sie für den Nachmittag verabredet hatten. Ihre Freundin lieà sich nicht mehr sehr häufig in der Burg blicken, eigentlich nur, um mit Rystadin zusammen zu sein. Sie gehörte inzwischen fest zu Bradans Stab und arbeitete dort Hand in Hand mit dem Duke. Die beiden waren schrecklich verliebt, und Kay schnitt es jedes Mal ins Herz, wenn sie Leon und Branwen beim Händchenhalten erwischte. Aber noch mehr als dieser Anfall von Neid, den sie selbst kindisch und unreif fand, schmerzte sie der Umstand, dass Bradan offensichtlich keinerlei Probleme damit hatte, mit Branwen locker und offen umzugehen und sie als eine seiner Gefolgsleute zu akzeptierenâ aber immer noch keine Anstalten machte, sich mit seiner Schwester zu versöhnen.
Kay bemerkte, dass sie die Hände ballte, und atmete tief durch. Bradan hatte ihr nicht verziehen, und sie war es leid, ihm deswegen nachzulaufen.
Sie legte die Hand auf die Verriegelung der Schleuse, als ein Ruf sie erreichte: Kay. Bitte.
Sie drehte sich erstaunt zum Pferch um. Das war Glysaferias Stimme. Tyrons Wyvern war ihr gegenüber bisher reserviert gewesen, freundlich, aber distanziert. Glysaferia hatte sie noch nie aus eigenem Antrieb angesprochen. » Ja? « , fragte Kay.
Hast du Zeit für mich?
Kay war schon umgekehrt und auf dem Weg zu Glysaferias Nest. » Gibt es Probleme? « , fragte sie beunruhigt. » Bist du krank? «
Wortlose Verneinung. Kay betrat das Nest und wartete, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die elfenbeinfarbige Wyvern war ein heller Berg in der Finsternis. Ihre Augen, so dunkel wie die Nacht, waren auf Kay gerichtet. Danke, sagte sie. Ich habe mit Dandalon gesprochen. Kannst du mir auch einen neuen Reiter geben?
Kay war einen Moment lang sprachlos. Dann schüttelte sie den Kopf, verblüfft, nicht verneinend. » Tyron? « , sagte sie.
Er interessiert sich nicht für mich. Er mag keine Dracyr. Das klang weder bitter noch zornig, nur sachlich. Die Wyvern senkte den Kopf und blies Kay ihren warmen, nach Feuer riechenden Atem ins Gesicht. Bitte, Kay. Dandalon ist so glücklich und ich möchte auch glücklich sein. Ich weià schon, wer mich reiten wird. Er ist freundlich.
Kay schnappte nach Luft und begann zu lachen. » Hast du schon mit ihm gesprochen? « , fragte sie amüsiert. Einer der Pferchwächter wahrscheinlich. Nun, das wäre nicht die schlechteste Lösung. Glysaferia hatte recht, Tyron war nicht mit Leib und Seele Schattenreiter. Er würde es, so wie Kay ihn einschätzte, als Erleichterung empfinden, diese Bürde los zu sein.
» Ich werde mit Damian sprechen « , sagte sie.
Warum? Glysaferia klang verblüfft. Du bist die Herrin.
Kay öffnete und schloss den Mund. Sie schluckte. » Das hast du falsch verstanden « , sagte sie dann rau. » Er ist Lord Harrynkar, der Herr über die Burg und alle, die darin leben. Er ist der Sohn des Dracyrmeisters, der⦠«
Glysaferia gähnte. In ihrem Rachen gloste es gefährlich. Kay wich nicht zurück, aber sie verstand. Streite niemals mit einem Dracer. Sie hob resigniert die Hände. » Lass mich also machen, Glysaferia. Wer ist dein Auserwählter? «
Ein Bild formte sich vor ihrem inneren Auge. Rote Locken und nussbraune Augen, ein schiefes, charmantes Lächeln⦠Kay verschluckte sich und begann zu husten.
Bring ihn zu mir, Kay. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, aber er versteht nicht. Er glaubt, sich meine Stimme einzubilden. Es macht ihn zornig.
Kay wischte sich das Lachen aus dem Gesicht. » Ja, das kann ich mir vorstellen « , sagte sie erstickt. » Leon wird denken, er wäre übergeschnappt. « Sie rieb der Wyvern über die Nase und die Nüstern. » Ich bringe ihn zu dir. «
Sie lachte immer noch, während sie die Schleuse durchquerte und den steilen Gang hinaufstieg. Aber unter der Heiterkeit lag ein dunkler Schatten. Damian. DU bist die Herrin. Das alles war unendlich kompliziert und sie war so müdeâ¦
Branwen wartete im kleinen Brunnenhof auf sie. Sie rieb sich nervös über die Arme und biss auf ihrer Lippe herum. Als sie Kay kommen sah, hellte ihre Miene sich auf. » Da bist du « , sagte sie hörbar erleichtert. » Ich ertrage diese Burg nicht mehr. Lass uns drauÃen bleiben, bitte. Hier ist es warm und hell. «
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