Dracyr – Das Herz der Schatten
gegenüber, Kay atmete schwer und rieb sich den Kopf, Damian hatte die Arme verschränkt und sah sie spöttisch an.
» Du willst es also wissen « , sagte er. » Ich habe mich selten so amüsiert. « Seine Lippen lächelten, aber seine Augen blieben kalt. » Es würde mich interessieren: Wolltest du mich wirklich töten? «
» Ja « , fauchte Kay. » Ja, bei allen Heiligen, das wollte ich! « Sie wusste, dass sie wahnsinnig war, das laut auszusprechen. Damit war sie Dracyrfutter und sie verriet ihr Vorhaben, das Andenken ihres Bruders, ihres Vaters⦠aber sie war so wütend, so ungeheuer zornig wie noch nie in ihrem Leben. Ihr Herz donnerte gegen die Rippen, das Blut rauschte in ihren Ohren, sie sah buchstäblich rot vor Zorn.
Damian lachte, und sein Lachen klang erfreut und so heiter, als hätte sie mit ihm gescherzt oder geflirtet und nicht auf Leben und Tod mit ihm gekämpft. Seinem Lachen gelang, was seiner Gewalt nicht gelungen war, es raubte ihr alle Kraft und allen Mut. Mit einem Schlag fühlte sie sich so hilflos und entblöÃt, als präsentierte sie ihre nackte Kehle einem scharfen Dolch. Kay schwankte und schlug die Hände vors Gesicht. » Nun ruf schon die Wachen « , sagte sie dumpf. » Lass mich in den Kerker werfen, verfüttere mich an die Ungeheuer. Es ist mir gleichgültig. «
Er regte sich nicht. » Du bist ein seltsames Mädchen, Karolyn Donne « , sagte er. » Ich müsste dich verhaften lassen. Du hast deinen Herrn mit einem Messer angegriffen. « Er seufzte.
Kay verschränkte die Arme vor der Brust, ihre Hände zitterten. Sie hielt den Kopf gesenkt, um sein Gesicht nicht sehen zu müssen, sein Lächeln, die Kälte in seinen Augen. Er war ein Ungeheuer, nicht weniger als sein Vater. In seinen Silberaugen war kein Leben, er war ein seelenloses, gefühlloses Monstrum.
Sie würde nicht um Erbarmen betteln, obwohl er dies sicherlich von ihr erwartete.
Sie holte tief Luft und schloss die Augen, erwartete den ersten Schlag mit der Peitsche, wappnete sich gegen den scharfen Schmerz. Sie schwor sich, nicht zu schreien.
» Ich bin bereit « , sagte sie.
Aber auf das, was folgte, war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie riss den Mund weit auf, wollte ihre Qual herausschreien, aber ihre Lungen, ihre Stimme versagten ihr den Dienst. Sie rang nach Luft, ihre Augen drohten aus dem Kopf zu quellen, sie brach in die Knie und spürte, wie sie das Bewusstsein verlor, während in ihrem Kopf der donnernde Schrei verhallte.
Kapitel 9
Sie ist so schön, dass ihr Anblick schmerzt. Groà gewachsen, mit schmalen Gliedern, die selbst in der einfachen Kleidung eines Hausmädchens exquisit wirken. Ihre Handgelenke sind zart wie die eines Edelfräuleins, auch wenn ihre Hände rau und schwielig von der Arbeit und ein wenig zu groà für eine feine Lady sind. Ihr Gesicht ist von einer herben Schönheit, kein Porzellanpuppenfrätzchen wie Esbeth es hat, mit einem Schmollmund und rosigen Wangen, sondern ein Gesicht mit Kanten und klaren Linien. Eine breite, schöne Stirn, dunkle Brauen, gerade und dicht, die sie finster zusammenziehen kann. Ihre Augen sind so dunkelblau, dass sie fast schwarz wirken, und ihre Nase ist gerade und schmal. Sie hat einen breiten Mund, zu breit für eine klassische Schönheit, mit vollen, geschwungenen Lippen. Er würde zu gerne sehen, wie sie damit lächelt, aber sie presst sie zusammen, wütend, voller Angst und Zorn. Angst vor ihm. Zorn, der sich gegen ihn richtet.
Er leckt sich über die Lippen und zögert, weil ihn ein Gefühl überwältigt, das er nicht kennt und nicht einordnen kann. Er möchte⦠er möchte ihre Hand, ihren Mund, ihr Haar küssen, ihren Duft einatmen, ihre weiche, warme Haut an seiner spüren.
Mit der Linken berührt er den Schnitt an seinem Hals, verreibt das bereits trocknende Blut, das klebrig seine Finger überzieht. Das ist die Liebe, die er kennt und einzuordnen weiÃ. So teilt sie sich mit, durch Peitschenhiebe und Blut, Faustschläge und Schmerzen und Erniedrigung. Sie hinterlässt ihre Zeichen, sie markiert den Gegenstand der Liebe mit Narben und Wunden, wie eine Rose mit ihren Stacheln die Finger der Geliebten zersticht und das Blut flieÃen lässt.
Er sieht Kay an. Ihr Blick ist gleichzeitig herausfordernd und voller Angst.
Dann reiÃt sie plötzlich die Augen weit auf, ihr Mund
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