Dragon Love 04 - Hoellische Hochzeitsglocken
unserem beschränkten tibetischen Wortschatz, so gut es eben ging, und drückten der Frau ein Bündel Geldscheine in die Hand, bevor wir flohen. Ich wäre auf dem vereisten Bürgersteig beinahe ausgerutscht, konnte mich aber im letzten Moment noch fangen, sodass nichts verletzt wurde außer meiner Würde.
„Du liebe Güte! Das ist ja ein wildes Pflaster hier!“ Ich wickelte mir den Schal fester um den unteren Teil meines Gesichts und blickte mich um. Mein Atem hing weiß in der dünnen, kalten Luft, und die Sonne blendete uns. Rote und weiße Steinhäuser klebten an der Seite eines Berges, auf den eine steile, gewundene Straße hinaufführte. Im Ort herrschte reger Betrieb, selbst mitten im Winter, und unten an der Straße sah man einen belebten Basar. Ich drehte mich um und blickte in eine Schlucht. „Es sieht so aus, als ob der ganze Ort durch ein ordentliches Erdbeben ins Tal rutschen könnte. Oh, da ist der Mount Everest! So nahe! Und so hoch. Oh, Mann, ich wünschte, ich hätte meine Kamera dabei.“
„Das ist eine Rettungsaktion, kein Touristenbesuch“, wies Onkel Damian mich zurecht und wandte sich dem zwanzig Jahre alten VW-Bus zu, der mit René am Steuer auftauchte.
Ich schwieg beschämt. Onkel Damian brauchte mich nicht an den Zweck unseres Besuchs zu erinnern. Drake fehlte mir. Ich hatte das Gefühl, den leeren Fleck in meiner Seele könne nur er füllen, und selbst wenn wir aus geschäftlichen Gründen im vergangenen Monat ab und zu mal getrennt gewesen waren, hatten wir den Kontakt zueinander über das Telefon oder manchmal auch im Traum gehalten.
Wir fuhren aus dem Ort hinaus zu der berühmten Freundschaftsbrücke, die Nepal mit Tibet verbindet und sich über den Fluss Bhotekoshi spannt. Ich kuschelte mich in meinen Mantel und wünschte mir, ich läge zu Hause in London mit Drake im Bett.
„Wenn Wünsche Pferde wären, würden Bettler reiten“, sagte ich seufzend zu mir.
„Dieses Sprichwort habe ich noch nie verstanden“, sagte Jim. „Wenn ich ein Bettler wäre, würde ich mir doch eher einen Lastwagen voller Geld als ein Pferd wünschen. Und zu essen. Ganz viel zu essen. Ja, klar, du kannst natürlich auch das Pferd essen, aber wenn du es aufgegessen hast, ist nichts mehr übrig.“
„Was redet er da?“, fragte mein Onkel und warf Jim einen erstaunten Blick zu.
„Nichts. René, hier scheint es zu sein. Ich wette, das Auto dort drüben gehört Gabriel. Ein Segen, dass er so pünktlich ist.“
„Ja. Hoffentlich ist es keine Falle.“
Jim sprach meine Gedanken aus, aber ich hatte keine Wahl. Gabriel hatte geschworen, dass ich ihm vertrauen könne, und wenn er mich wieder betrog ... nun ja, falls diese Situation eintrat, würde ich mich spätestens dann damit auseinandersetzen.
Ach, so wie du mit seinem ersten Verrat fertig geworden bist? Das war ja nicht besonders effektiv.
Ich knirschte mit den Zähnen. Ständig meldete sich die dunkle Macht in meinem Kopf, aber jetzt konzentrierte ich mich erst einmal auf den Mann, der aus dem Land Rover neben dem Brückenschild ausgestiegen war. Zum Glück waren gerade keine Touristen da, die Zeugen unseres Treffens werden konnten.
„Und du hast nichts von Drake gehört?“, fragte Gabriel. Seine silbergrauen Augen wurden von der Krempe seines schwarzen Huts verdeckt.
Ich schüttelte den Kopf. „Er meldet sich nicht. Was hast du von Fiat in Erfahrung bringen können?“
Gabriel zögerte einen Moment und warf seinen beiden Begleitern, die bis unter die Augen vermummt waren, einen raschen Blick zu. Ich nahm an, dass es seine Bodyguards, Tipene und Maata, waren und winkte ihnen zu. „Er sagte, er hätte seit drei Tagen nichts von Chuan Ren gehört, meinte aber, das dies bestimmt nicht der Fall wäre, wenn sie Drake gekidnappt hätten. Ich sehe das genauso, Aisling. Wenn Chuan Ren Drake in ihrer Gewalt hätte, würde sie ihn benutzen, um die Sippe zu zerstören ... und dich. Du hast doch nichts von den roten Drachen gehört, oder?“
„Keinen Mucks.“ Ich kaute an meiner Unterlippe. „Möglicherweise hält ihn ja jemand anderer gefangen. Ein roter Drachen würde ihn sofort Chuan Ren übergeben, aber vielleicht gibt es ja sonst noch jemand, der sich an ihm rächen will.“
„Das ist möglich“, gab Gabriel zu.
Seine Stimme klang irgendwie angestrengt. Ich betrachtete ihn aufmerksam und forschte in seinen Augen nach einem Zeichen von Verrat. Ich konnte nichts erkennen, aber nach ein paar Sekunden wandte er den Blick ab, als ob es ihm
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