Dragon Sin: Roman (German Edition)
überwältigen mich, Schwester.«
»Das wollte ich nicht.« Vateria betrachtete eine ihrer jüngeren Cousinen und kniff die Augen zusammen. »Das ist doch meine Halskette«, sagte sie.
»Darf ich sie mir etwa nicht ausleihen?« Die junge Drachin warf einen Blick über ihre Schulter auf Vateria. Ihr Tonfall war ausgelassen und neckisch, was der Erregung über den bevorstehenden Abend zuzuschreiben war. Wenn sich Vateria recht erinnerte, war es das erste gesellschaftliche Ereignis, an dem ihre Cousine als Erwachsene teilnahm. »Du musst zugeben, dass sie mir etwas besser steht als dir.«
»Das stimmt, Cousine«, gab Vateria zu. Dann griff sie ihrer Cousine an den Hals und fuhr ihre Krallen aus, die sich sofort durch die Haut bohrten, und Blut ergoss sich auf ihre immer noch menschlich geformte Hand. »Aber das heißt nicht, dass du dir alles nehmen kannst, was mir gehört.«
Vaterias Cousine hämmerte ihr gegen Arme und Brust; sie konnte nicht mehr schreien oder atmen. Vateria warf sie zu Boden und wartete, bis sich unter ihrem Kopf eine hübsche Blutlache gebildet hatte, bevor sie sie losließ. Sie riss ihrer Cousine die Kette von Hals und ging hinüber zu einem der zusammengekauerten menschlichen Diener.
»Sie soll noch ein bisschen ausbluten. Wenn sie kurz vor dem Tod steht …« – sie holte eine kleine Phiole hervor und gab sie dem zitternden Sklaven – »… trägst du ihr diese Salbe auf. Sie sollte die Blutung stillen und sie am Leben erhalten.« Es war etwas, das Vateria bei ihren regelmäßigen Vergnügungen in den Kerkern ihres Vaters entdeckt hatte. Dort unten nämlich verbarg sie etwas sehr Wertvolles – etwas unermesslich Wertvolles, das einen anderen, gefährlicheren Feind für immer von den Toren der Stadt fernhielt. Zumindest so lange, bis der große Oberherr Thracius und seine Armee zurückgekehrt waren.
Vateria wandte sich an eine der königlichen Wachen, einen Drachen. »Sie leidet stärker, wenn sie in menschlicher Gestalt ist. Falls sie sich also in einen Drachen verwandeln will, tötest du sie an Ort und Stelle.«
Er nickte, und Vateria gab den anderen Frauen ein Zeichen. »Kommt, wir gehen. Wir müssen unsere Plätze einnehmen, damit die Spiele beginnen können.« Denn niemand würde es wagen, das Startzeichen für die Spiele zu geben, solange die königliche Familie nicht anwesend war.
Vateria ging den Korridor entlang, und die anderen Frauen folgten ihr, während ein Diener neben ihr herlief und ihr das Blut von der Hand wischte.
»Du hättest ihr die Kette einfach nur abnehmen können, Schwester«, meinte Columella.
»Das stimmt allerdings. Aber was hätte meine Cousine daraus gelernt?«
3 Am nächsten Morgen betrat Vigholf den Kriegsraum seines Bruders und stellte die Frage, die ihn die ganze Nacht hindurch gequält hatte: »Kennst du jemanden, der einen Speer reparieren kann?«
»Einen Speer?« Ragnar der Listige schaute von seinen Papierrollen auf. »Seit wann kämpfst du denn wieder mit dem Speer?«
»Es ist nicht meiner.« Er warf einen Blick auf das, was sein Bruder gerade betrachtete. »Was ist das?«
»Das sind die Tunnelpläne.« Seit fast sieben Monaten gruben ihre Truppen einen Tunnel durch das Polycarp-Gebirge, der sie geradewegs zur Festung der Eisendrachen führen würde. Sobald sie dort waren, konnten sie die Eisendrachen überraschen und vernichten. Zumindest war das der gegenwärtige Plan. Ob er funktionieren würde, war nicht vorherzusagen, aber es war besser, als bloß herumzusitzen und darauf zu warten, dass etwas geschah. »Es sollte nicht mehr lange dauern.«
»Gut, denn die Eisernen werden allmählich immer kecker.«
»Warum sagst du das?«, fragte Ragnar.
»Sie haben schon wieder versucht, bei uns einzudringen. Ich habe keine Ahnung, was sie hier zu finden hoffen.«
»Wie viele waren es diesmal?«
»Etwa zehn, die uns ablenken sollten, und drei Elitesoldaten, die sich währenddessen an uns vorbeistehlen wollten.«
Ragnar hob wieder den Blick. »Nur drei?«
»Ja.« Vigholf erspähte in einer Ecke einen Stapel getrockneter und geräucherter Kuhbeine; er ging hinüber und holte sich eines. »Deshalb habe ich vorhin gesagt, dass ich nicht verstehe, was sie beabsichtigen. Wollen sie vielleicht spionieren?«
»Möglicherweise.« Ragnar lehnte sich zurück. »Oder sie wissen von dem Tunnel, oder sie haben eine schwache Stelle gefunden. Irgendetwas, das wir übersehen haben.«
»Sei nicht so paranoid.« Vigholf riss mit seinen Fängen das Fleisch
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