Dragon Sin: Roman (German Edition)
»Aber vielleicht können die Drillinge …«
»Nein!«, bellte Keita so laut, dass Rhona zusammenzuckte. »Man würde sie vermissen.«
»Was willst du damit sagen?«
»Jedermann wird bemerken, dass sie nicht mehr da sind, und man wird Fragen stellen. Und genau das kann ich nicht gebrauchen. Deshalb können mich deine Brüder ebenfalls nicht begleiten. Und auch nicht deine anderen Geschwister. Es muss alles im Geheimen passieren.«
Rhona stemmte die Klauen in die Hüften und schaute finster auf ihre kleinere Cousine herab. »Soll das heißen, du hast mich ausgewählt, weil keiner bemerken wird, dass ich nicht mehr da bin?«
»Es ist nicht so, dass es keiner bemerken würde … Es werden bloß alle froh sein, dass du fort bist.«
»Na, vielen Dank auch!«
Keitas Schwanz peitschte das Wasser. »Du verstehst das falsch!«
»Wie soll ich es denn sonst verstehen?«
»Ich hab’s!« Keita fuhr mit ihren Klauen durch die Luft. »Ich bin die Tochter von Königin Rhiannon, und du bis nur eine einfache Soldatin, die genau das tun muss, was ich ihr befehle!«
Ohne ein Wort zu sagen, trat Rhona vor und ging weiter, bis sie ihre zurückweichende Cousine an die gegenüberliegende Wand gedrängt hatte.
»Schon gut, schon gut!« Keita hob die Klauen, um Rhona abzuwehren. »Kein Grund, gleich gereizt zu werden!«
»Dann sorge dafür, dass du mich nicht ärgerst, Cousine.«
»Bitte, Rhona. Sobald wir diesen Ort hinter uns gelassen haben, kann ich dir alles erklären. Aber nicht hier und nicht jetzt. Außerdem bitte ich dich darum, weil ich dir vertraue. Ren vertraut dir ebenfalls. Und du weißt, dass wir beide nur sehr wenigen Personen vertrauen.«
Verdammt! Keita wusste immer, wie sie das bekam, was sie haben wollte. Aber Rhona musste zugeben, dass ihre Cousine es ausnahmsweise ernst zu meinen schien. Offenbar war sie sogar etwas besorgt. Sonst sorgte sich Keita niemals um irgendetwas.
»Ragnar weiß Bescheid, dass ich bei dir sein werde? Dass ich nur Befehle ausführe? Ich habe keine Lust, bei meiner Sippe als Deserteurin dazustehen.«
»Natürlich nicht!« Wieder legte Keita ihre Klaue auf Rhonas Unterarm. »Vertraue mir. Wenn all das hier vorbei ist, wird man dich als Heldin verehren.«
Rhona kicherte. »Das brauche ich nicht. Sorge einfach dafür, dass ich nicht in die Kerker deiner Mum geworfen werde.«
Keitas Lächeln war strahlend und schön. »Das sollte ich hinkriegen!«
Vigholf schaute von seinem fünften Kuhbein auf, als Keita zurück in den Raum kam. Meinhard war hinausgegangen, doch Vigholf war geblieben, weil er herausfinden wollte, was hier vorging.
Keita lächelte Vigholf an, als sie an ihm vorbeiging und auf Ragnar zustolzierte.
Er musste gestehen, dass er seinen Bruder nicht verstand. Keita war nun schon seit fünf Jahren mit Ragnar zusammen und sogar mit ihm aus den Nordländern in dieses Tal gezogen. Und obwohl sie gezwungen war, mit verschrobenen Soldaten und einer nervigen Sippschaft in dieser Höhle zu wohnen, hatte sie sich nie beschwert oder unglücklich darüber gewirkt. Dennoch hatte Ragnar sie bisher nicht in Besitz genommen. Er hatte ihr noch nicht das Zeichen aufgedrückt, das vor allen anderen Drachen bezeugte, dass Keitas Herz ihm und nur ihm allein gehörte. Vigholf hatte keine Ahnung, worauf der Drache noch wartete. Bei den Kriegsgöttern, Vigholf hätte niemals so lange gewartet, wenn eine Drachin bereit gewesen wäre, seine Gefährtin zu werden. Gute Frauen waren nur noch schwer zu finden. Und Keita war eine der besten: hübsch, klug, bezaubernd, elegant und äußerst loyal. Diejenigen Drachen, die wagten, Ragnars Herrschaft infrage zu stellen, trugen meist sehr unangenehme Schnittwunden unter den Schuppen davon oder litten an unerklärlichem Haarausfall oder husteten Blut. Nach mehreren solchen Fällen hatten die anderen gelernt, das Maul zu halten oder sich zumindest nicht in Keitas Anwesenheit über Ragnar zu beschweren.
»Alles in Ordnung«, sagte sie lächelnd.
»Gut.« Ragnar fuhr ihr mit der Klaue über die Wange. »Ich werde dich vermissen.«
»Natürlich wirst du das. Ich bin schließlich umwerfend.«
»Machst du dich sofort auf den Weg?«, fragte Vigholf.
»Pst«, flüsterte Keita. »Nicht so laut. Wir machen es heimlich.«
»Warum?«
»Das werde ich dir später erklären«, sagte Ragnar. »Gib uns ein paar Minuten.«
Vigholf nickte und schritt auf den Ausgang zu. Aber er blieb besorgt wieder stehen. »Dein Bewacher ist nicht Éibhear, oder?«
»Weißt du,
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