Dragon Sin: Roman (German Edition)
eine Zeit gegeben, da die Eisendrachen zu den Drachen der Dunklen Ebenen gehört hatten. Aber Vaterias Großvater war es leid gewesen, sich von einem anderen beherrschen zu lassen, und so hatten er und seine Verbündeten ihre Familien nach Westen ins Aricia-Gebirge geführt, das zur Quintilianischen Provinz gehörte. Im Gegensatz zu den Drachen der Dunklen Ebenen hatte Großvater sich geweigert, seine wahre Gestalt vor den Menschen zu verbergen. Stattdessen hatte er die kleine Herrschergruppe der Quintilianischen Menschen vor die Wahl gestellt: Entweder sie akzeptierten die Eisendrachen als ihre Herrscher, oder sie sahen zu, wie ihre Männer verbrannt und ihre Frauen und Kinder versklavt wurden. Die Herrscher waren genauso schwach wie alle anderen Menschen gewesen und hatten rasch zugestimmt. Sie hatten geglaubt, sie könnten die Eindringlinge in ihren unterirdischen Höhlen angreifen und vernichten, sobald die Drachen es sich dort bequem gemacht hatten.
Doch Vaterias Großvater war zu klug für sie gewesen. Von Anfang an wollte er sich die Quintilianische Provinz aneignen. Er brachte nicht viele Menschen um – schließlich brauchte er sie als Bauern, Viehtreiber und Arbeiter –, sondern schüchterte sie durch die Drohung mit dem Tod und noch Schlimmerem ein. Wenn ein Senator es wagte, eine seiner Entscheidungen infrage zu stellen, wurden seine Kinder versklavt, seine Frau – oder seine Frauen – zu Huren gemacht und seine Ländereien niedergebrannt. Er selbst aber wurde verschont, sodass alle ihn sehen konnten, wenn er Tag für Tag heimatlos und bettelarm durch die Straßen zog. Manchmal begegneten ihm Mitglieder seiner versklavten Familie auf dem Weg zu ihrer Arbeit – mit Peitschennarben an den Körpern und den Zeichen ihrer Eigentümer auf den Gesichtern eingebrannt. Manchmal waren es sogar mehrere Brandzeichen, wenn sie wiederholt verkauft worden waren.
Als Großvater das Reich an seinen ältesten Sohn und Vaterias Vater Thracius abgetreten hatte, war die Herrschaft der Eisendrachen in Quintilian bereits unangefochten. Zu jener Zeit hatte Thracius den Gefährten von Adienna, der damaligen südländischen Drachenkönigin, während der Großen Schlacht von Aricia entführt und nach Quintilian gebracht. Während die Königin Boten mit Friedensangeboten und dem Versprechen, keine Vergeltung zu üben, losgeschickt hatte, um ihren Gefährten freizukaufen, hatte Thracius zum Gedenken an seinen Vater Spiele abgehalten, deren Höhepunkt die Kreuzigung des Gefährten der Drachenkönigin gewesen war.
Als er tot war, hatte man ihn in Stücke geschnitten, in Kisten verpackt und an seine Königin zurückgeschickt. Damals hatte die Königin den Gerüchten zufolge einen sofortigen Angriff auf Quintilian geplant. Genau darauf hatte Thracius gehofft, denn er wollte nicht auf ihrem, sondern auf seinem eigenen Territorium kämpfen. Doch dieser Zusammenstoß fand nicht statt, da die Königin zwischenzeitlich in andere Schwierigkeiten geraten war. Dabei handelte es sich um die Barbarendrachen aus dem Norden, die sogenannten Blitzdrachen. Thracius hatte erwogen, zu diesem Zeitpunkt die Dunklen Ebenen anzugreifen, aber er war sich nicht sicher gewesen, ob sich die Barbaren auf seine Seite schlagen würden. Die Blitzdrachen konnten mit Gold oder Frauen – beides besaßen die Südländer im Überfluss – leicht gekauft werden. Außerdem gab es im Westen der Provinz noch vieles, was Thracius sehr interessierte, und er hatte noch nie zum übereilten Handeln geneigt.
Nun, Jahrhunderte später, war es nicht mehr bloß die Quintilianische Provinz. Quintilian war inzwischen zur Hauptstadt dessen geworden, was als die Quintilianischen Hoheitsgebiete bekannt war, und das Territorium dieses Reiches erstreckte sich Tausende von Meilen in alle Richtungen.
In alle Richtungen außer einer.
Aber das würde sich bald ändern, denn gegenwärtig kämpften Vaterias Vater und seine gewaltige Armee Barbarenhorden im Tal von Euphrasia gegen die Armeen der Drachenkönigin, während sich Laudaricus’ Menschentruppen in den Westlichen Bergen mit den Armeen von Annwyl der Blutrünstigen, der Königin der Insel Garbhán, schlugen.
Dieser Doppelangriff war sehr vielversprechend, besonders weil die feindlichen Armeen nicht annähernd so viele Soldaten wie die Eisendrachen hatten.
Columella, eine von Vaterias vier Schwestern, posierte in ihrem dunkelroten Kleid vor Vateria. »Was hältst du davon?«
»Ganz nett.«
»Deine Schmeicheleien
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