Dragon Sin: Roman (German Edition)
so an, du schlangenhaftes kleines …«
Rhona hob eine Klaue, um ihrer Mutter das Wort abzuschneiden, und warf einen Blick hinter sich. »Ihr da«, raunzte sie die drei Soldaten an, die hinter ihr standen; einer von ihnen hielt sich den rechten Unterarm. »Was ist passiert?«
»Sein Arm. Er ist im Tunnel zerquetscht worden.«
Rhona wandte sich von ihrer Mutter ab und ging hinüber zu dem jungen Soldaten. »Er ist gebrochen. Du.« Sie deutete auf den goldenen Drachen. »Bring ihn zum Heiler. Und du« – sie zeigte auf den Blitzdrachen – »gehst zurück in den Tunnel. Die Kommandanten dort brauchen alle verfügbaren Helfer. Geh schon.«
Rhona sah wieder ihre Mutter an und fragte: »Wo waren wir? Ach ja. Ich bin eine schlangenhafte kleine … wie geht es weiter?«
Ihre Mutter peitschte den Schwanz auf den Boden und stapfte davon. Aber Rhona wusste, dass dieser Streit noch nicht beendet war. Er schwelte bereits, seit Rhona erstmals das Angebot ihres Onkels Bercelak abgelehnt hatte, im Anubail-Gebirge ausgebildet zu werden. Als Gefährte Ihrer Majestät, der Drachenkönigin, und als Kommandant der königlichen Armeen bot Bercelak der Große niemandem leichtfertig die Gelegenheit, in die Reihen der legendären Drachenkrieger aufgenommen zu werden. Rhonas Mutter hatte sogar die Schlacht verlassen, um nach ihrer Tochter zu suchen und ihr zu sagen, was für ein Dummkopf sie war, weil sie Bercelaks Angebot abgelehnt hatte. Aber Rhona würde es niemals zulassen, dass ihre Mutter sie dazu zwang oder sie überredete, ihre Meinung zu ändern. Rhona war stolz darauf, ihre eigenen Stärken und Schwächen genau zu kennen. Ihre Stärke lag darin, genauso stur wie ihre Mutter zu sein. Und ihre Schwäche wiederum, dass sie keine Drachenkriegerin sein wollte. Also gut, vielleicht war es keine richtige Schwäche, aber ihre Mutter hielt es dafür.
»Alles in Ordnung mit dir?«
Rhona sah ihre jüngere Schwester Delen an.
»Ja. Es war bloß wieder der altbekannte Streit. Warum wird er ihr bloß nie langweilig?«
»Das Schöne an Mum ist, dass ihr nie etwas langweilig wird. Sie kann ohne Ende töten, ohne je Langeweile dabei zu spüren. Ich glaube, das ist für sie ein Fremdwort. So wie rational. Oder fürsorglich.«
Rhona lachte zusammen mit ihrer Schwester und legte ihr den Arm um die Schultern. »Auch wieder wahr. Und wie geht es dir?«
»Prima. Ich werde in den nächsten Tagen mit meiner Truppe in den Tunneln arbeiten. Ich hoffe, ich kann sie gut genug antreiben, damit wir bald fertig sind. Je eher wir diese Berge untertunnelt haben, desto schneller können wir die Eisendrachen auslöschen und nach Hause gehen. Im Gegensatz zu unserer Mutter wird es mir nämlich durchaus langweilig.« Sie klopfte Rhona mit dem Schwanz auf die Schulter. »Und du solltest jetzt eine Pause einlegen. Seit Tagen arbeitest du nun schon ohne Unterbrechung. Du bist uns keine Hilfe, wenn du einschläfst, während wir die andere Seite erreichen.«
Rhona kicherte. »Allerdings.«
»Gehst du baden?«, flüsterte ihre Schwester.
»Ich versuche es wenigstens.«
»Nimm den Ausgang dahinten.« Sie deutete auf einen schmalen Tunnel, der in den Fels eingeschnitten war. »Dann musst du zwar ein bisschen ins Freie gehen, aber du vermeidest es, Mutter über den Weg zu laufen.«
»Danke, Liebes.«
Rhona huschte davon, ohne bemerkt zu werden, und zwängte sich durch den schmalen Tunnel, bis sie sich irgendwann auf dem Berggipfel wiederfand. Sie blieb stehen und schaute über das Tal von Euphrasia. Es war ein Landstrich, der zwischen dem Territorium der Nordländer, der Südländer und der Westlichen Berge lag. Es war ein raues und gefährliches Tal mit dichten, beinahe urwaldartigen Wäldern im Sommer und grausam kalten Winden und Eisstürmen im Winter. Umgeben war es von einer Bergkette unterschiedlicher Höhen. Sie hatten die Hesiod-Berge zu ihrer Festung gemacht, während die Eisendrachen, die sich ihnen unmittelbar gegenüber befanden, die Polycarp-Berge zu ihrem Schutz benutzten. Sie hätten es schlimmer treffen können. Zumindest hatten sie Zugang zu frischem Wasser und Nahrungsmitteln.
»Schön, nicht wahr?«
Rhona ließ die Schultern hängen und schloss die Augen. »Ich habe einfach nie meine Ruhe«, seufzte sie.
»Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?«
Sie machte sich nicht die Mühe, sich zu dem Blitzdrachen umzudrehen. Was hätte es für einen Sinn gehabt?
»Nichts.« Sie ging über den Gipfelgrat, aber der Blitzdrache
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