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Dragons Schwur

Dragons Schwur

Titel: Dragons Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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in dem Vogelbild.
    »Der Staatsvogel von Missouri«, sagte Dragon mit lauter Stimme, in der keine Gefühle mitschwangen, obwohl seine Hand mit dem Medaillon zitterte. »Ich frage mich, ob du noch in der Wildnis zu finden bist, auf den Sonnenblumen am Fluss. Oder sind deine Schönheit und die der Blumen mit allem anderen gestorben, was schön und magisch ist in dieser Welt?« Seine Hand schloss sich so fest um das Medaillon, dass sich die Knöchel weiß färbten.
    Dann öffnete Dragon schnell die Faust und drehte das goldene Oval ehrfürchtig wieder und wieder in der Hand. »Du Narr!«, sagte er mit bebender Stimme. »Du hättest es zerbrechen können!« Mit zitternden Fingern betastete er den Verschluss, doch das goldene Schmuckstück war unversehrt und ließ sich mühelos öffnen. Er sah die winzige Gravur, die mit der Zeit zwar verblasst war, aber noch immer das Gesicht der zierlichen Vampyrin zeigte, deren Blick den seinen zu fesseln schien.
    »Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«, murmelte Dragon. Er fuhr über das alte Porträt in der rechten Hälfte des Medaillons, streichelte dann auf der linken Seite die einzelne blonde Locke, die dort haftete, wo einmal sein Jugendbildnis gewesen war. Er wandte den Blick vom Medaillon zum nächtlichen Himmel und wiederholte die Frage, lauter diesmal, aus den Tiefen seiner Seele schrie er um Antwort. »Wie kann es sein, dass du nicht mehr da bist?«
    Als Antwort erklang in der nächtlichen Luft das vernehmliche Krächzen eines Raben.
    Zorn durchflutete Dragon, ein harter und heißer Zorn, der seine Hände wieder erzittern ließ – diesmal jedoch nicht aus Schmerz über den Verlust, sondern aus dem überwältigenden Drang heraus zu schlagen, zu zermalmen, zu vergelten.
    »Ich werde dich rächen.« Dragons Stimme klang wie der Tod. Wieder schaute er auf das Medaillon und sprach zu der blonden Locke darin. »Dein Drache wird dich rächen. Ich werde das Unrecht, das ich zugelassen habe, wiedergutmachen. Ich werde nicht mehr den gleichen Fehler begehen, meine Liebste, meine Einzige. Die Kreatur wird nicht ungestraft davonkommen. Das schwöre ich.«
    Plötzlich wehte ein heißer Windstoß vom Scheiterhaufen herüber. Er hob die Locke an, und während Dragon vergeblich versuchte, sie festzuhalten, wurde sie davongetragen, weg von ihm, hoch hinauf auf den warmen Luftzug, fast wie eine Feder. Sie schwebte dort, und dann veränderte sich der heiße Wind, stieß einen Laut aus, der an das überraschte Keuchen einer Frau gemahnte, atmete ein und sog die Haarlocke in den lodernden Scheiterhaufen, wo sie sich in Rauch und Erinnerung verwandelte.
    »Nein!«, schrie Dragon und sank schluchzend auf die Knie. »Jetzt habe ich alles verloren, was ich von dir besaß. Durch meine Schuld …«, sagte er mit gebrochener Stimme. »Durch meine Schuld, so wie ich auch deinen Tod verschuldet habe.«
    Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er sah, wie sich die Locke seiner geliebten Gemahlin in Rauch auflöste, der vor ihm wirbelte und tanzte. Dann begann er magisch zu schimmern, sich von Rauch in einen Schleier grüner und gelber und brauner Funken zu verwandeln, die sich umeinander kräuselten und teilten und zu einem Bild zusammensetzten: Die grünen Funken wurden zu einem langen, dicken Stängel – zarte gelbe Blütenblätter formten sich um den braunen Kreis in ihrer Mitte.
    Dragon wischte sich die Tränen ab, er konnte kaum glauben, was er da sah. »Eine Sonnenblume?« Seine Lippen fühlten sich ebenso taub an wie sein Verstand.
Es ist ihre Blume!,
rief sein Geist.
Es muss ein Zeichen von ihr sein!
»Anastasia!«, schrie Dragon, als sich die Taubheit in eine schreckliche und wunderbare Quelle der Hoffnung verwandelte. »Bist du hier, meine Einzige?«
    Das Bild der schimmernden Sonnenblume zitterte und veränderte sich. Das Gelb floss in einer Kaskade hinunter, die sich goldblond färbte. Das Braun erhellte sich zur Farbe sonnengeküsster Haut, und das Grün schmolz in die Haut und gerann zu leuchtenden Kugeln, die zu türkisfarbenen Augen wurden, vertraut und geliebt.
    »Oh, Göttin, Anastasia! Du bist es!« Dragons Stimme brach, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Doch das Bild hob sich, verspottete ihn, schwebte knapp außerhalb seiner Reichweite. Enttäuscht schrie er auf und unterdrückte einen Elendslaut, als sich die Stimme seiner Gemahlin wie ein Bach, der über wassergeschliffene Kiesel rinnt, singend um ihn herum ausbreitete. Dragon hielt die Luft an und lauschte der

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