Dragons Schwur
der Nacht selbst gezimmert. Der Junge blinzelte überrascht, als er erkannte, was er da sah.
»Es ist ein Drache.« Er starrte auf die geschnitzte Galionsfigur. Sie war wirklich spektakulär – ein schwarzer Drache mit ausgestreckten Krallen und gefletschten Zähnen, bereit, die ganze Welt anzugreifen.
»Nach den Ereignissen dieser Nacht schien es mir ein gutes Omen zu sein.«
Bryan starrte auf den Drachen. In diesem Moment überkam ihn eine Flut von Gefühlen, wie er sie noch nie erlebt hatte. Er brauchte einen Augenblick, bis er sie erkannte: Aufregung, Vorfreude und Sehnsucht, die sich zu einer einzigartigen Entschlossenheit verdichteten. Er begegnete dem Blick des Vampyrs. »Ich wähle den Drachen.«
Drei
Tower Grove House of Night
St. Louis 1833
» F rohes Treffen, Anastasia! Komm doch herein. Welch glücklicher Zufall, dass du hier bist. Diana und ich haben gerade darüber gesprochen, wie froh wir sind, dass eine so junge Priesterin für Zaubersprüche und Rituale als vollwertige Lehrerin an unsere Schule gekommen ist. Ich wollte dich schon rufen lassen, um dir zu sagen, wie sehr es mich freut, dass du dich hier in Tower Grove so gut eingelebt hast.«
»Frohes Treffen, Pandeia und Diana«, erwiderte Anastasia, legte die rechte Faust aufs Herz und verneigte sich respektvoll zunächst vor ihrer Hohepriesterin Pandeia, und dann vor Diana, bevor sie das geräumige, wunderbar eingerichtete Zimmer betrat.
»Ach, du brauchst nicht so förmlich zu sein, wenn keine Jungvampyre dabei sind«, sagte Diana, Lehrerin für Vampyr-Soziologie und die Gemahlin der Hohepriesterin, in warmem Ton, während sie eine ausgesprochen dicke Glückskatze streichelte.
»Vielen Dank«, sagte Anastasia mit leiser Stimme, die sie reifer als zweiundzwanzig erscheinen ließ.
Diana lächelte. »Du bist erst seit zwei Wochen hier. Hast du dich eingewöhnt? Ist die Schule schon wie ein Zuhause für dich geworden?«
Mein Zuhause
, dachte Anastasia automatisch,
ist nie so schön und frei gewesen
. Rasch verdrängte sie den Gedanken und antwortete ehrlich und in höflichem Ton: »Es ist noch nicht ganz mein Zuhause geworden, aber das wird noch kommen. Ich liebe die Prärie und die üppigen Gärten.« Ihr Blick wanderte zu der dicken Glückskatze und dem grau getigerten Kater, der um die Beine der Hohepriesterin strich. Überrascht bemerkte sie, dass beide Katzen an jeder Vorderpfote sechs Zehen hatten. »Sechs Zehen? Das habe ich ja noch nie gesehen.«
Diana zupfte spielerisch an der Pfote der Glückskatze. »Manche Leute behaupten ja, Polydaktylies seien Fehler der Natur. Ich aber sage, sie sind nur fortgeschrittener als ›normale‹ Katzen. So wie Vampyre ein wenig fortgeschrittener sind als ›normale‹ Menschen.«
»Du liebe Zeit! Sie sehen aus wie Fausthandschuhe! Ich hoffe, dass eine Katze mich erwählt, nun da ich mein House of Night gefunden habe. Es wäre so wunderbar, wenn sie auch sechs Zehen hätte!« Da bemerkte Anastasia, dass sie ihre törichten Gedanken laut ausgesprochen hatte, und fügte eilig hinzu: »Natürlich habe ich auch viel Freude mit meinen Schülern und meinem neuen Klassenzimmer.«
»Es macht mich glücklich, dass du das sagst«, erwiderte Pandeia mit einem sanften Lachen. »Und es ist nichts dabei, wenn man sich eine Katze wünscht, ob nun mit sechs Zehen oder was auch immer. Junge Anastasia, Diana und ich wollten unseren Eiswein auf dem Balkon einnehmen. Komm bitte dazu.«
»Ich danke dir für die Einladung«, sagte Anastasia demütig und ermahnte sich, nichts Dummes mehr zu sagen. Sie folgte den Frauen und ihren Katzen, als sie die Flügeltüren öffneten und auf einen hübschen, in Mondlicht getauchten Balkon traten. Er war mit weißen Korbstühlen und einem passenden Tisch ausgestattet, auf dem eine Kristallvase mit einem perfekt eingravierten Halbmond stand, die mit duftenden roten Rosen gefüllt war. Daneben ein silberner Eimer voller Eis und eine Karaffe mit Wein, der die Farbe reifer Kirschen hatte. Dazu gab es Stielgläser, in die ebenfalls Halbmonde eingraviert waren wie bei der herrlichen Vase, die im silbernen Licht des Vollmondes schimmerte.
Rosen, Eis, Wein und Kristall. Ich bin Kargheit und feste Regeln gewöhnt, obwohl beide durch Liebe gemildert wurden. Werde ich mich jemals an einen solchen Luxus gewöhnen?,
grübelte Anastasia und fühlte sich äußerst unbehaglich, als sie auf einem Stuhl Platz nahm und sich zwang, ihr langes blondes Haar nicht glattzustreichen und ihr Kleid nicht
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