Drake (German Edition)

Weltreligion, deren Anhänger alle Friedensappelle über Bord warfen und entgegen den Lehren ihrer eigenen Predigten mit Gewalt antworteten.
    Die Menschheit wurde wieder von einer eingeengten Gedankenwelt eingeholt. Alles zurück auf null.
    Verotroicx entfuhr ein bitteres Lächeln.
    Kein Wunder, dass gewisse Menschen die Erde satthatten und nach einer neuen Welt suchten.
    Wenn man genügend über Geld verfügte …
    Sternberg hatte für seine Suche jedenfalls keine Kosten gescheut. Das Schiff war nicht nur ein teurer Prototyp, sondern auch edel und kostspielig ausgestattet. In dem Commander kam der Verdacht auf, dass der Milliardär bei einem Misserfolg die Rückkehr zur Erde nicht mit eingeplant hatte.
    Er strich beinahe liebevoll über das geschwungene Geländer an der Gravitationskante, wie die runden Übergänge in den Ebenen im Schiffsjargon genannt wurden.
    Dieses Schiff war für die Ewigkeit gebaut. Es wäre auch ein Ort für ein Leben danach – ohne einen Planeten gefunden zu haben. Oder für eine weiterführende Suche ohne ein bestimmtes Ziel jenseits der Sternberg-Linie. Die Frage war nur, wie die Besatzung in diesem Fall entscheiden würde. Würde sie Sternberg bedingungslos folgen oder würde es eine Meuterei geben?
    Verotroicx tippte auf Ersteres. Es handelte sich um ausgesuchte Personen, die in den Vertragsgesprächen mehr oder weniger zum Ausdruck gebracht hatten, dass ihnen nichts mehr an einem Leben auf der Erde lag. Auch er hatte sich ähnlich geäußert. In seinem Fühlen und Denken hatte er schon lange der Erde den Rücken gekehrt.
    Abgesehen davon war Sternberg von einem Erfolg überzeugt. Jetzt mehr denn je, ganz besonders nach der merkwürdigen Zusammenkunft im großen Salon. Nachdem ihm Werfel die Aufnahmen von Blue Boy und dem außergewöhnlichen System mit dem Gasriesen präsentiert hatte, war Sternberg nicht mehr wiederzuerkennen. Aus dem bedächtigen und nachdenklichen Mann war ein freudiges Kind geworden, dem man ein wertvolles Spielzeug versprochen hatte. Es musste ein ungeheurer Druck auf ihm lasten. Vielleicht hatte er sich bei dem Projekt finanziell übernommen und Tamini und seine Konsorten saßen ihm im Nacken.
    Verotroicx grinste unvermittelt. Das wäre jedenfalls ein weiterer Grund dafür, nicht zur Erde zurückzukehren.
    Werfel kam ihm in den Sinn. Der Mann war seit der Zusammenkunft im Salon total verstört. Als er selbst die Aufnahmen von dem Gasriesen mit seinen Monden präsentiert hatte, wirkte er wie jemand, dem zuvor gerade seine Hinrichtung verkündet worden war. Sein gesamtes Weltbild war ins Wanken geraten. Zuvor hatte er immer wieder betont, dass es Blue Boy oder Pearl, wie er das dritte System genannt hatte, eigentlich nicht geben dürfe, dass es den Wahrscheinlichkeitsrechnungen zufolge schlichtweg unmöglich sei. Nun hatten ihn seine eigenen Nachforschungen widerlegt. Eine Niederlage, die ihm seinen Kopf retten konnte.
    Sternberg hatte ihm eine negative Einstellung gegenüber der Natur und seinem Glauben an eine Vielfältigkeit im Universum entgegengehalten. Die Wissenschaft könne eben noch nicht alles erklären, hatte ihm Sternberg vorgehalten, manchmal solle man die Gegebenheiten so akzeptieren, wie sie seien. Und Werfel solle sich lieber an seiner erfolgreichen Arbeit erfreuen, schließlich habe er einen maßgeblichen Anteil an der Entdeckung der Planeten.
    Werfel war jedoch alles andere als erfreut. Ganz im Gegenteil.
    Verotroicx konnte sich das Verhalten des Wissenschaftlers nicht so recht erklären. Konnte denn jemand angesichts eines Erfolges derart enttäuscht sein, nur weil die eigene Theorie von der Einzigartigkeit der Erde nicht gestimmt hatte? Weil die eigenen Vorhersagen nicht bestätigt wurden?
    Wie verbohrt oder psychisch verklemmt musste jemand sein, dass er den Erfolg nicht annahm, auch wenn er anders ausgefallen war, als er es vorhergesagt hatte?
    Oder sollte man sogar den Hut ziehen bei solch einer Einstellung?
    Wie auch immer, der Mann war ihm ein Rätsel.
      
    Im Schiff war eine beinahe heilige Ruhe eingekehrt, wie immer kurz vor einer Passage durch eine Raumkrümmung. Die Ehrfurcht vor dem für einen Laien unbegreiflichen Vorgang war trotz jahrzehntelanger Erfahrung nach wie vor sehr groß.
    Verotroicx ging es nicht anders.
    Dass er alleine und wahrscheinlich als Einziger ins Schiffsinnere strebte, war seine persönliche Art, das Phänomen zu bewältigen. Falls eine Unregelmäßigkeit auftrat – was nichts anderes als die völlige