Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
»Hast du
Mistelzweige im Haus, Matthew?«
»Nein, aber in einigen Bäumen draußen vor der
Veranda haben sich Misteln eingenistet. Ich habe sie schon ein paar Mal von der
Veranda aus zwischen den Zweigen herausgestochert.«
Kate knöpfte eilig das Hemd zu und folgte ihm
barfuß. Es behagte ihm nicht, sie einer möglichen Gefahr auszusetzen, aber wenn
sie mitkam, konnte er sie wenigstens im Auge behalten. Er streckte seinen Arm
aus und nahm sie an der Hand. In seinem Hemd, das ihr viel zu groß war, und mit
ihrem von der Liebe zerzausten Haar wirkte sie besonders klein und wehrlos. Er
senkte den Kopf zu einem schnellen Kuss, der sie beruhigen sollte. Wenn Kate in
der Öffentlichkeit auftrat, wirkte sie immer gepflegt und elegant. Diese Kate
gefiel ihm sehr gut. Aber die Kate, die jetzt an seiner Seite war, liebte er.
Seine ganz private Kate, die sexy und leidenschaftlich war, mit ihrem
zerwühlten Haar und der zarten Haut, die von seinen Bartstoppeln gerötet war.
Nichts und niemand würde ihr ein Leid antun. Nicht in seiner Gegenwart.
Kate spürte ihr Herz ungestüm in ihrer Brust
schlagen. Ihre Finger schlossen sich fester um Matts Hand. Matt öffnete die
gläserne Schiebetür, die ins Freie führte. Wind strömte herein und brachte eisige
Kälte und den Geruch salziger Meeresluft mit sich. Das Brausen des Ozeans war
ungestüm. Bisher hatten die Mauern des Hauses das Tosen der Brandung gedämpft.
Kate warf einen nervösen Blick aufs offene Meer hinaus, da sie fürchten musste,
den grauen Nebel zu sehen, doch die Meeresoberfläche war klar zu erkennen.
»Kate.« In Matts Stimme drückte sich eine Warnung
aus.
Kate erstarrte und senkte ihren Blick auf den Sand
unter ihnen. Er was nass vom unablässigen Anrollen der Wellen, die sich auf dem
Strand brachen, bei Flut näherkamen und sich bei Ebbe weiter zurückzogen. Auf
dem nassen Sand waren deutliche Stiefelabdrücke zu erkennen, die aus dem Meer
kamen, und daneben verliefen Schleifspuren, die darauf hinwiesen, dass ein
schwerer Gegenstand über den Sand gezogen worden war. Riementang lag in
verschlungenen Strängen neben dem Pfad, der zu den Stufen vor Matthews Haus
führte. An mehreren Stellen waren dunkle Flecken zu erkennen, die wie Öl auf
dem Sand wirkten. Kate wollte sie sich näher ansehen und trat daher auf die
Veranda hinaus.
Matt zog sie zurück und stieß sie hinter sich.
»Hier stimmt etwas nicht, ich kann es spüren.« Er hatte schon vor langer Zeit
gelernt, sich auf seine Instinkte zu verlassen, wenn etwas nicht stimmte.
»Bleib im Haus, Kate.«
»Der Nebel ist nicht mehr dort draußen«, hob sie
hervor, doch sie blieb hinter ihm und hielt seine Hand fest umklammert.
»Sollten wir Jonas verständigen?«
Matt seufzte. »Ich kann mir gut vorstellen, dass
Elle ihn längst angerufen hat. Wenden sich nicht all deine Schwestern an ihn,
wenn sich übernatürliche Vorfälle ereignen? Ich glaube nicht, dass der arme
Mann auch nur eine einzige Nacht durchgeschlafen hat, seit Sarah nach Hause
gekommen ist.«
»Übernatürliche Vorfälle? So habe ich das noch nie
gesehen. Wir haben schon immer gewisse Gaben besessen. Wir hatten sie von
Geburt an und ihr Einsatz erscheint mir so natürlich wie das Atmen. Manche
Menschen bezeichnen uns als Hexen und andere denken sich schlicht und einfach,
wir verstünden uns auf Magie, aber es ist etwas ganz anderes. Es ist mehr. Und
zugleich weniger. Ich wünschte, ich könnte es dir erklären.« Kate blickte mit
gerunzelter Stirn zu ihm auf. »Wir empfinden es als ganz natürlich.«
Matt strich ihr mit einer zärtlichen Geste das Haar
aus dem Gesicht. »Du brauchst es mir nicht zu erklären. Ich bin längst davon
überzeugt, Kate.« Er blieb stehen und atmete tief ein. »Hier stimmt etwas
nicht. Wir werden nicht auf die Veranda hinausgehen. Komm mit mir durchs Haus.«
Matt schob leise die Glastür zu und hob den Blick zum Nachthimmel, an dem träge
ein paar dunkle, unheilvolle Wolken trieben.
Er schaltete mit Bedacht keine Lichter an, als er
Kate durchs Haus führte. Vorher schnallte er sich noch eine lederne
Messerscheide an die Wade. Kates Augen wurden groß, als er ein langes Messer
hineinschob. »Glaubst du, das ist nötig?«
»Ich glaube daran, auf Nummer sicher zu gehen. Du
bist bei mir, Kate. Nichts wird dich mir wegnehmen. Mit ist ganz egal, ob es
ein Monster im Nebel oder etwas ist, was aus dem Meer gekrochen kommt.« Er stieß
die Haustür auf und trat hinaus. Seine Augen suchten unermüdlich die Umgebung
ab,
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