Drake Schwestern 01-02 - Daemmerung des Herzens-06.07.12-OK
waren und dass die Krippe wieder aufgebaut war. Am
Heiligen Abend würde das Krippenspiel mit Menschen aufgeführt werden, aber bis
dahin konnte man die Figuren bewundern, die ein ortsansässiger Bildhauer
geschaffen hatte. Mehrere Künstler hatten an der Krippe mitgewirkt und den Stall
errichtet und andere hatten den gesamten Hintergrund bemalt. Dieses Jahr war es
Inez gelungen, eine Pulvermasse aufzutreiben, die genau wie Schnee aussah und
die sie zur Begeisterung und zur Belustigung ihrer Mitbürger auf dem Dach des
Stalles und auf dem Boden um den Stall herum verstreut hatte. Schnee bekam man
in diesem Küstenort nur selten zu sehen.
»Was glaubst du wohl, wie viele Kinder sich schon
auf den Hauptplatz geschlichen haben, um eine Schneeballschlacht zu machen?«
Matt senkte seine Stimme und sah sich um, denn er rechnete fast damit, dass
Inez ihn hören würde, obwohl sie außer Hörweite in ihrem Laden stand.
Kate drehte sich lachend zu ihm um. »Du hättest es
getan, stimmt's?«
Schatten, die sich schnell voranbewegten, glitten
über den Boden und zogen vor die Sonne. »Da kannst du Gift drauf nehmen. Jonas
und ich hätten eine Festung aus Schnee errichtet und einen Hagel von
Schneebällen auf jeden niedergehen lassen, der in Wurfweite gekommen wäre.«
Sein Lächeln verblasste schon, bevor er seinen Satz beendet hatte. Er packte
ihren Arm, um ihre Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was er ihr zeigen wollte.
Sein Kopf wies mit einem Ruck zum Himmel. Die Luft über ihnen war mit Möwen
erfüllt, die schnell landeinwärts flogen. Die Vögel waren gespenstisch stumm
und ihre großen Flügel schlugen, als sie sich schleunigst vom Meer entfernten.
Kate schüttelte den Kopf und blickte aufs Meer
hinaus. Der graue Nebel wälzte sich schnell heran. Er waberte und wogte, eine
brodelnde Masse, die ungezähmte Energie zur Schau stellte. Gezackte orangerote
Blitze leuchteten inmitten des grauen Dunstes auf.
Matt fluchte und zerrte Kate zum Laden. »Lass uns
reingehen.«
»Seine Kraft nimmt wirklich ständig zu«, sagte
Kate.
Matt konnte spüren, dass sie von Kopf bis Fuß
zitterte. Er zog sie enger an sich. »Wir wussten, dass seine Kraft zunehmen
würde, Kate. Man sollte meinen, das verdammte Ding würde mal Pause machen und
uns in Ruhe lassen. Aber wir werden dahinterkommen, was es damit auf sich hat.«
»Ich weiß.« Sie ging mit ihm zum Lebensmittelladen.
Die Wesenheit wurde stärker und Kate fühlte sich überfordert, müde und
zerbrechlich. Aber das konnte sie Matt nicht gut sagen. Er machte sich ohnehin
schon solche Sorgen um sie. Sie konnte es in seinen Augen sehen. Wie kam es
bloß, dass sie ihm diese enorme Einsamkeit nie angesehen hatte? Und auch nicht
sein schmerzliches Verlangen? Es saß so tief und war so intensiv, dass sie
manchmal darin zu versinken drohte, wenn er sie ansah. Und doch konnte sie, als
er neben ihr herlief, ein großer, imponierender Mann mit breiten Schultern,
mächtigem Brustkorb und Augen, die nie stillhielten, immer noch nicht wirklich
fassen, dass er sie liebte.
Matt legte Kate einen Arm um die Schultern, als sie
das Gebäude betraten. Wie immer drängten sich Kunden in dem kleinen Geschäft.
Inez begrüßte die beiden lautstark und sah sie mit ihren strahlenden Augen und
einem fröhlichen Lächeln forschend an. »Kate, wie schön dich zu sehen. Und dann
auch noch mit Matt. Ich schwöre es dir, Matt, du wirst von Tag zu Tag größer.«
Ihre Bemerkungen verwandelten ihn nachhaltig in
einen Jungen zurück. Das brachte nur Inez fertig. »Heute fühle ich mich
tatsächlich ein paar Zentimeter größer, Inez.« Er zwinkerte Kate zu.
»Kommt ihr beide zur Probe für den
Weihnachtsumzug?«, fragte Inez. »Nach dem Fiasko kürzlich habe ich eine weitere
Zusammenkunft organisiert. Niemand macht Abbey Vorwürfe, Kate. Schließlich ist
es ja nicht ihre Schuld, dass dieser miese Bruce Harper eine Affäre mit
Sylvia Fredrickson hat, dem männermordenden kleinen Biest.«
»Abbey hat sich elend gefühlt, Inez«, sagte Kate.
»Es hat doch bestimmt Probleme verursacht.«
»Tja, Bruces Frau hat ihn verlassen. Du weißt ja,
dass sie hochschwanger ist und es jeden Tag so weit sein kann. Sie sind alle
aus der Inszenierung ausgestiegen und ich musste Ersatz finden.« Inez sah Matt
finster an. »Danny hat sich ganz schön aufgespielt. Er hat behauptet, er sei
nicht sicher, ob er mit Laienschauspielern zusammenarbeiten könnte. Daraufhin
habe ich ihm gesagt, er sei selbst ein
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