Dramatische Werke
Freie.
Hedwig. Walther und Wilhelm .
Hedwig :
Heut kommt der Vater. Kinder, liebe Kinder!
Er lebt, ist frei, und wir sind frei und alles!
Und euer Vater ist's, der's Land gerettet.
Walther :
Und ich bin auch dabeigewesen, Mutter!
Mich muss man auch mit nennen. Vaters Pfeil
Ging mir am Leben hart vorbei und ich
Hab' nicht gezittert.
Hedwig umarmt ihn :
Ja du bist mir wieder
Gegeben! Zweimal hab' ich dich geboren!
Zweimal litt ich den Mutterschmerz um dich!
Es ist vorbei – Ich hab euch beide, beide!
Und heute kommt der liebe Vater wieder!
Ein Mönch erscheint an der Haustüre.
Wilhelm :
Sieh, Mutter, sieh – dort steht ein frommer Bruder,
Gewiss wird er um eine Gabe flehn.
Hedwig :
Führ in herein, damit wir ihn erquicken,
Er fühl's, dass er ins Freudenhaus gekommen.
Geht hinein und kommt bald mit einem Becher wieder.
Wilhelm zum Mönch :
Kommt, guter Mann. Die Mutter will Euch laben.
Walther :
Kommt, ruht Euch aus und geht gestärkt von dannen.
Mönch scheu umherblickend, mit zerstörten Zügen :
Wo bin ich? Saget an, in welchem Lande?
Walther :
Seid Ihr verirret, dass Ihr das nicht wisst?
Ihr seid zu Bürglen, Herr, im Lande Uri,
Wo man hineingeht in das Schächental.
Mönch zur Hedwig, welche zurückkommt :
Seid Ihr allein? Ist Euer Herr zu Hause?
Hedwig :
Ich erwart' ihn eben – doch was ist Euch, Mann?
Ihr seht nicht aus, als ob Ihr Gutes brächtet.
– Wer Ihr auch seid, Ihr seid bedürftig, nehmt!
Reicht ihm den Becher.
Mönch :
Wie auch mein lechzend Herz nach Labung schmachtet,
Nichts rühr ich an, bis Ihr mir zugesagt –
Hedwig :
Berührt mein Kleid nicht, tretet mir nicht nah,
Bleibt ferne stehn, wenn ich Euch hören soll.
Mönch :
Bei diesem Feuer, das hier gastlich lodert,
Bei Eurer Kinder teurem Haupt, das ich
Umfasse – Ergreift die Knaben.
Hedwig :
Mann, was sinnet Ihr? Zurück
Von meinen Kindern! – Ihr seid kein Mönch! Ihr seid
Es nicht! Der Friede wohnt in diesem Kleide,
In Euren Zügen wohnt der Friede nicht.
Mönch :
Ich bin der unglückseligste der Menschen.
Hedwig :
Das Unglück spricht gewaltig zu dem Herzen,
Doch Euer Blick schnürt mir das Innre zu.
Walther aufspringend :
Mutter, der Vater! Eilt hinaus.
Hedwig :
O mein Gott!
Will nach, zittert und hält sich an.
Wilhelm eilt nach :
Der Vater!
Walther draußen :
Da bist du wieder!
Wilhelm draußen :
Vater, lieber Vater!
Tell draußen :
Da bin ich wieder – Wo ist eure Mutter?
Treten herein.
Walther :
Da steht sie an der Tür und kann nicht weiter,
So zittert sie für Schrecken und für Freude.
Tell :
O Hedwig, Hedwig! Mutter meiner Kinder!
Gott hat geholfen – Uns trennt kein Tyrann mehr.
Hedwig an seinem Halse :
O Tell! Tell! Welche Angst litt ich um dich!
Mönch wird aufmerksam.
Tell :
Vergiss sie jetzt und lebe nur der Freude!
Da bin ich wieder! Das ist meine Hütte!
Ich stehe wieder auf dem Meinigen!
Wilhelm :
Wo aber hast du deine Armbrust Vater?
Ich seh' sie nicht.
Tell :
Du wirst sie nie mehr sehn.
An heil'ger Stätte ist sie aufbewahrt,
Sie wird hinfort zu keiner Jagd mehr dienen.
Hedwig :
O Tell! Tell!
Tritt zurück, lässt seine Hand los.
Tell :
Was erschreckt dich, liebes Weib?
Hedwig :
Wie – wie kommst du mir wieder? – Diese Hand
– Darf ich sie fassen? – Diese Hand – O Gott!
Tell herzlich und mutig :
Hat euch verteidigt und das Land gerettet,
Ich darf sie frei hinauf zum Himmel heben.
Mönch macht eine rasche Bewegung, er erblickt ihn.
Wer ist der Bruder hier?
Hedwig :
Ach ich vergaß ihn!
Sprich du mit ihm, mir graut in seiner Nähe.
Mönch tritt näher :
Seid Ihr der Tell, durch den der Landvogt fiel?
Tell :
Der bin ich, ich verberg' es keinem Menschen.
Mönch :
Ihr seid der Tell! Ach es ist Gottes Hand,
Die unter Euer Dach mich hat geführt.
Tell misst ihn mit den Augen :
Ihr seid kein Mönch! Wer seid Ihr?
Mönch :
Ihr erschlugt
Den Landvogt, der Euch Böses tat – Auch ich
Hab' einen Feind erschlagen, der mir Recht
Versagte – Er war Euer Feind wie meiner –
Ich hab' das Land von ihm befreit.
Tell zurückfahrend :
Ihr seid –
Entsetzen! – Kinder! Kinder geht hinein.
Geh liebes Weib! Geh! Geh! – Unglücklicher,
Ihr wäret –
Hedwig :
Gott, wer ist es?
Tell :
Frage nicht!
Fort! Fort! Die Kinder dürfen es nicht hören.
Geh aus dem Hause – Weit hinweg – Du darfst
Nicht unter einem Dach mit diesem wohnen.
Hedwig :
Weh mir, was ist das? Kommt!
Geht mit den Kindern.
Tell zu dem Mönch :
Ihr seid der Herzog
Von Österreich – Ihr seid's! Ihr habt
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