Dramatische Werke
den Kaiser
Erschlagen, Euern Ohm und Herrn.
Johannes Parricida :
Er war
Der Räuber meines Erbes.
Tell :
Euren Ohm
Erschlagen, Euern Kaiser! Und Euch trägt
Die Erde noch! Euch leuchtet noch die Sonne!
Parricida :
Tell hört mich, eh Ihr –
Tell :
Von dem Blute triefend
Des Vatermordes und des Kaisermords,
Wagst du zu treten in mein reines Haus,
Du wagst's, dein Antlitz einem guten Menschen
Zu zeigen und das Gastrecht zu begehren?
Parricida :
Bei Euch hofft' ich Barmherzigkeit zu finden,
Auch Ihr nahmt Rach' an Euerm Feind.
Tell :
Unglücklicher!
Darfst du der Ehrsucht blut'ge Schuld vermengen
Mit der gerechten Notwehr eines Vaters?
Hast du der Kinder liebes Haupt verteidigt?
Des Herdes Heiligtum beschützt? das Schrecklichste,
Das Letzte von den Deinen abgewehrt?
– Zum Himmel heb' ich meine reinen Hände,
Verfluche dich und deine Tat – Gerächt
Hab ich die heilige Natur, die du
Geschändet – Nichts teil' ich mit dir – Gemordet
Hast du , ich hab mein Teuerstes verteidigt.
Parricida :
Ihr stoßt mich von Euch, trostlos, in Verzweiflung?
Tell :
Mich fasst ein Grausen, da ich mit dir rede.
Fort! Wandle deine fürchterliche Straße,
Lass rein die Hütte, wo die Unschuld wohnt.
Parricida wendet sich zu gehn :
So kann ich, und so will ich nicht mehr leben!
Tell :
Und doch erbarmt mich deiner – Gott des Himmels!
So jung, von solchem adelichen Stamm,
Der Enkel Rudolfs, meines Herrn und Kaisers,
Als Mörder flüchtig, hier an meiner Schwelle,
Des armen Mannes, flehend und verzweifelnd –
Verhüllt sich das Gesicht.
Parricida :
O wenn Ihr weinen könnt, lasst mein Geschick
Euch jammern, es ist fürchterlich – Ich bin
Ein Fürst – ich war's – ich konnte glücklich werden
Wenn ich der Wünsche Ungeduld bezwang.
Der Neid zernagte mir das Herz – Ich sah
Die Jugend meines Vetters Leopold
Gekrönt mit Ehre und mit Land belohnt,
Und mich, der gleiches Alters mit ihm war,
In sklavischer Unmündigkeit gehalten –
Tell :
Unglücklicher, wohl kannte dich dein Ohm,
Da er dir Land und Leute weigerte!
Du selbst mit rascher wilder Wahnsinnstat
Rechtfertigst furchtbar seinen weisen Schluss.
– Wo sind die blut'gen Helfer deines Mords?
Parricida :
Wohin die Rachegeister sie geführt,
Ich sah sie seit der Unglückstat nicht wieder.
Tell :
Weißt du, dass dich die Acht verfolgt, dass du
Dem Freund verboten und dem Feind erlaubt?
Parricida :
Darum vermeid ich alle offne Straßen,
An keine Hütte wag' ich anzupochen –
Der Wüste kehr ich meine Schritte zu,
Mein eignes Schrecknis irr' ich durch die Berge,
Und fahre schaudernd vor mir selbst zurück,
Zeigt mir ein Bach mein unglückselig Bild.
O wenn Ihr Mitleid fühlt und Menschlichkeit –
Fällt vor ihm nieder.
Tell abgewendet :
Steht auf! Steht auf!
Parricida :
Nicht bis Ihr mir die Hand gereicht zur Hülfe.
Tell :
Kann ich Euch helfen? Kann's ein Mensch der Sünde?
Doch stehet auf – Was Ihr auch Grässliches
Verübt – Ihr seid ein Mensch – Ich bin es auch –
Vom Tell soll keiner ungetröstet scheiden –
Was ich vermag, das will ich tun.
Parricida aufspringend und seine Hand mit Heftigkeit ergreifend :
O Tell!
Ihr rettet meine Seele von Verzweiflung.
Tell :
Lasst meine Hand los – Ihr müsst fort. Hier könnt
Ihr unentdeckt nicht bleiben, könnt entdeckt
Auf Schutz nicht rechnen – Wo gedenkt Ihr hin?
Wo hofft Ihr Ruh zu finden?
Parricida :
Weiß ich's? Ach!
Tell :
Hört was mir Gott ins Herz gibt – Ihr müsst fort
Ins Land Italien, nach Sankt Peters Stadt,
Dort werft Ihr Euch dem Papst zu Füßen, beichtet
Ihm Eure Schuld und löset Eure Seele.
Parricida :
Wird er mich nicht dem Rächer überliefern?
Tell :
Was er Euch tut, das nehmet an von Gott.
Parricida :
Wie komm ich in das unbekannte Land?
Ich bin des Wegs nicht kundig, wage nicht
Zu Wanderern die Schritte zu gesellen.
Tell :
Den Weg will ich Euch nennen, merket wohl!
Ihr steigt hinauf, dem Strom der Reuss entgegen,
Die wildes Laufes von dem Berge stürzt –
Parricida erschrickt :
Seh ich die Reuss? Sie floss bei meiner Tat.
Tell :
Am Abgrund geht der Weg und viele Kreuze
Bezeichnen ihn, errichtet zum Gedächtnis
Der Wanderer, die die Lawine begraben.
Parricida :
Ich fürchte nicht die Schrecken der Natur,
Wenn ich des Herzens wilde Qualen zähme.
Tell :
Vor jedem Kreuze fallet hin und büßet
Mit heißen Reuetränen Eure Schuld –
Und seid Ihr glücklich durch die Schreckensstraße,
Sendet der Berg nicht seine Windeswehen
Auf Euch herab von dem beeisten Joch,
So
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