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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Markt! Wir Händler haben gar kein idealeres Ziel, als daß die Preise auf dem Liebesmarkt so hoch wie nur irgend möglich sind! Schleudern Sie Ihre Vorwürfe, wenn Sie die Bedrückung Ihres unglücklichen Geschlechts bekämpfen wollen, der bürgerlichen Gesellschaft ins Gesicht! bekämpfen Sie, wenn Sie die Naturrechte Ihrer Schwestern verteidigen wollen, zuerst den Internationalen Verein zur Bekämpfung des Mädchenhandels!
    Elfriede
aufbrausend
    Ich lasse mir hier von Ihnen nicht länger blauen Dunst vormachen! Ich bin fest überzeugt, daß Sie im Ernste gar nicht daran denken, dem Mädchen die Freiheit zu geben! Während ich albernes Geschöpf mir hier soziale Vorträge von Ihnen halten lasse, wird die Unglückliche womöglich in eine Droschke gepackt, nach dem Bahnhof gebracht und irgendwohin transportiert, wo sie vor den Mitgliedern des Vereins zur Bekämpfung des Mädchenhandels Zeit ihres Lebens sicher ist! – Nun gut, ich weiß, was ich zu tun habe!
(Sie nimmt Hut und Mantel.)
    Casti Piani
lächelnd
    Wenn Sie ahnten, mein Fräulein, wie Ihr Wutausbruch Ihre hausbackene Erscheinung verschönert, dann hätten Sie es nicht so eilig, sich zu entfernen.
    Elfriede
    Lassen Sie mich hinaus! Es ist die höchste Zeit!
    Casti Piani
    Wohin gedachten Sie denn jetzt zu gehen?
    Elfriede
    Das wissen Sie geradesogut wie ich, wohin ich jetzt gehe!
    Casti Piani
packt Elfriede bei der Gurgel, drückt ihr die Kehle zu und nötigt sie in einen der Polstersessel
    Sie bleiben hier! Ich habe noch ein Wort mit Ihnen zu sprechen! Versuchen Sie doch bitte, zu schreien! Hier ist man an alles nur irgendwie mögliche menschliche Geschrei gewöhnt! Schreien Sie bitte, so laut Sie schreien können!
(Sie freilassend)
: Nimmt mich wunder, ob ich Sie nicht noch zu Verstand bringe, bevor Sie aus diesem Hause direkt aus die Polizei laufen!
    Elfriede
keuchend, tonlos
    – Es ist das erstemal in meinem Leben, daß ich eine derartige Vergewaltigung erfahre!
    Casti Piani
    Sie haben in Ihrem Leben so unendlich viel Unnützes zur sittlichen Hebung der Freudenmädchen getan! Tun Sie doch endlich einmal etwas Nützliches zur sittlichen Hebung der Freude! Dann brauchen Ihnen die armen Geschöpfe nicht mehr leid zu tun! Weil der Freudenmarkt als der gemeinste, schandbarste aller Berufe gebrandmarkt ist, geben sich die Mädchen und Frauen der guten Gesellschaft einem Manne lieber umsonst hin, als daß sie sich ihre Gunst bezahlen lassen! Dadurch entwürdigen diese Mädchen und Frauen ihr eigenes Geschlecht in der gleichen Weise, wie ein Schneider sein Gewerbe entwürdigt, der seinen Kunden die Kleider umsonst liefert!
    Elfriede
noch wie betäubt
    Ich begreife von alledem kein Sterbenswort. – Ich bin mit meinem sechsten Jahr in die Schule gekommen und bin bis zu meinem fünfzehnten Jahre in der Schule geblieben. Später habe ich noch einmal drei Jahre auf der Schulbank gesessen, um mein Lehrerinnenexamen zu machen. Solange ich jung war, verkehrten in meinem Elternhause Herren aus den besten Gesellschaftskreisen. Ich erhielt einen Heiratsantrag von einem Manne, der ein Rittergut von zwanzig Quadratmeilen geerbt hatte, und der mir, wenn ich es von ihm verlangt hätte, bis ans Ende der Welt gefolgt wäre. Aber ich fühlte, daß ich ihn nicht lieben konnte. Vielleicht war es nicht richtig von mir. Vielleicht fehlte mir nur das kleine bißchen Leidenschaftlichkeit, das zum Heiraten unter allen Umständen nötig ist.
    Casti Piani
    Sind Sie jetzt endlich zahm?
    Elfriede
    Erklären Sie mir jetzt nur noch eines: Wenn das Mädchen nun bei diesem Leben, das sie hier führt, ein Kind zur Welt bringt, wer sorgt dann für das Kind?
    Casti Piani
    Sorgen doch Sie dafür! Oder haben Sie als Frauenrechtlerin vielleicht etwas Wichtigeres in dieser Welt zu tun? Solange ein Weib unter Gottes Sonne noch fürchten muß, Mutter zu werden, bleibt die ganze Frauenemanzipation leeres Geschwätz! Mutterwerden ist für das Weib eine Naturnotwendigkeit wie Atem und Schlaf. Dieses angeborene Recht hat die bürgerliche Gesellschaft dem Weibe in barbarischer Weise verkürzt. Ein uneheliches Kind ist schon eine beinahe ebenso große Schmach wie der Liebesmarkt! Dirne hin, Dirne her! Der Name Dirne bleibt der Mutter eines unehelichen Kindes so wenig erspart wie einem Mädchen in diesem Hause! Wenn mir etwas an Ihrer Frauenbewegung von jeher zum Ekel war, dann war es die Sittlichkeit , die Sie Ihren Zöglingen auf den Lebensweg einimpfen! Glauben Sie denn, der Liebesmarkt wäre je in

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